Michael Rottmann zur Stellungnahme des emeritierten Papstes

Brief Benedikts XVI.: Ein gut verstecktes Bekenntnis

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Der emeritierte Papst Benedikt XVI. hat sich erneut zu den Vorwürfen des Münchner Missbrauchsgutachtens geäußert und eine Chance vertan. Warum, erklärt unser Reporter Michael Rottmann in seinem Kommentar.

Was bedeutet es, wenn der emeritierte Papst jetzt in seiner Stellungnahme zum Münchener Missbrauchsgutachten zwar erneut „tiefe Scham“ und „großen Schmerz“ äußert, auch eine Bitte um Entschuldigung an alle Opfer sexuellen Missbrauchs richtet und von der großen Schuld der Kirche spricht – um sich dann selbst in eine Opferrolle zu schieben? Sein Vorwurf: Ein „Versehen“ werde ausgenutzt, um ihn, Benedikt XVI., als Lügner darzustellen. Das habe ihn tief getroffen.

Es ist die Rhetorik, die verstört: Den Blick auf andere zu lenken und Dinge nicht klar zu benennen, anstatt deutlich auszusprechen, dass es bei der Schuld für Missbrauch nicht nur ums Tun der Täter, sondern auch ums Unterlassen in der Führungsetage geht, und sei es darum, in einer Sitzung über einen Vorfall nicht genügend nachgehakt zu haben.

Eigene Mitverantwortung nur verklausuliert zu finden

Wie wichtig diese Form der Verantwortung ist, darauf geht der emeritierte Papst in seiner Stellungnahme ja immerhin ein. Zum sexuellen Missbrauch schreibt er: „Bei all meinen Begegnungen, vor allem auf mehreren Apostolischen Reisen, mit von Priestern sexuell missbrauchten Menschen habe ich den Folgen der übergroßen Schuld ins Auge gesehen und verstehen gelernt, dass wir selbst in diese übergroße Schuld hineingezogen werden, wenn wir sie übersehen wollen oder sie nicht mit der nötigen Entschiedenheit und Verantwortung angehen, wie dies zu oft geschehen ist und geschieht.“ Zusammen mit dem später folgenden Satz „Ich habe in der katholischen Kirche große Verantwortung getragen. Umso größer ist mein Schmerz über die Vergehen und Fehler, die in meinen Amtszeiten und an den betreffenden Orten geschehen sind“ lässt sich das als Bekenntnis auch eigener, persönlicher Mitverantwortung lesen und verstehen.

Schade allerdings, dass sich das nur verklausuliert und nicht explizit in Benedikts persönlicher Stellungnahme findet. Es wäre ein deutliches Zeichen gewesen in einer Zeit, in der klare und eindeutige Worte gefragt sind.

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