Aktion in Garrel im oldenburgischen Kreis Cloppenburg

Wie ein Rentner Kreuze und Heiligenfiguren vor der Mülltonne rettet

Anzeige

Das Kreuz aus Omas Schlafzimmer, die Madonna von Tante Hildegard, Opas großes Heiligenbild – oft landen solche Dinge nach dem Tod der Verwandten auf dem Dachboden und irgendwann im Müll. Rudolf Göken aus Garrel (Kreis Cloppenburg) will das verhindern.

Die Marienstatue ist in ein altes Unterhemd eingeschlagen. Jemand hat die Fatima-Madonna neben einer Herz-Jesu-Skulptur ganz unten in den Karton gelegt. Rudolf Göken lächelt. „Da kann den Figuren wenigstens nichts passieren.“ Er holt die beiden Holzkreuze heraus, die oben darüber liegen, mustert sie und nickt. Wieder ganz schön viel, was die Menschen in die St.-Johannes-Kirche im oldenburgischen Garrel (Kreis Cloppenburg) gebracht haben.

„Das geht jetzt seit gut drei Wochen so.“ Seit der 66-jährige einen Aufruf in der örtlichen Tageszeitung gestartet hat: Wer nicht wisse, wohin mit alten Kreuzen, Bildern, Rosenkränzen oder andere Devotionalien, könne sie gerne in die Kirche bringen. Seine Frau Andrea und er würden sich darum kümmern, dass die Erinnerungsstücke nicht auf dem Müll landen, sondern würdevoll behandelt werden.

Rudolf Göken holt regelmäßig Kreuze und Bilder ab

Seither zockelt der Rentner alle paar Tage mit Rad und Anhänger zur Kirche. Bisher nie vergeblich, jedes Mal hat jemand wieder etwas Neues beim Schriftenstand abgelegt.

Neben Kreuzen und Figuren auch alte Gesangbücher, Bilder oder Weihwasser-Behälter. Oder das, was Rudolf Göken jetzt hochhält - ein Kreuz mit zwei Kerzen daran, wie es bei der Spendung von Sterbesakramenten genutzt werden kann.

Viele wissen gar nicht mehr, was sie zuhause lagern

„Heute wissen viele gar nicht mehr, was das ist“, sagt Rudolf Göken. Früher hätten Familien so etwas ganz selbstverständlich zu Hause gehabt.

Mittlerweile lägen solche Verseh-Garnituren meist vergessen auf dem Dachboden. Für ihn ein weiteres Zeichen dafür, dass Wissen um den Glauben bei vielen „langsam verdunstet“, wie er es nennt. Oder sich verändert habe. Er sieht das realistisch.

Rudolf Göken versteht, dass es manchen zu viel wird

„Es sind zwei Pole“, beschreibt der frühere kaufmännische Angestellte seine Haltung. „Einerseits der Wunsch, diese Zeichen des Glaubens zu bewahren.“ Andererseits könne er aber verstehen, „dass es irgendwann zu viele Dinge werden, zu denen die Nachfahren einfach keinen Bezug mehr haben“.

Rudolf Göken erklärt sich das so: „Früher gab es eben noch keine Bilder von Andy Warhol oder Marilyn Monroe. Damals hat man sich fromme Dinge in die Wohnung gehängt.“

Die Zeiten hätten sich geändert. Die Zeugnisse der Vergangenheit aber einfach im Abfall zu entsorgen - das kommt für ihn nicht infrage. Damit steht er nicht allein, das beweist ihm das Echo auf sein Angebot.

Täglich rufen Interessierte Rudolf Göken an

Anfangs hatte er nur Menschen aus Garrel ansprechen wollen. Mittlerweile rufen aber täglich mehrmals auch Interessierte aus umliegenden Gemeinden bei ihm an und fragen, ob sie auch etwas bringen dürfen.

„Kein Problem“, sagt Rudolf Göken. Er spürt oft die Erleichterung. „Das Angebot ist so etwas wie ein Ventil.“ Weil die meisten eben nicht wüssten, wie sie sonst mit den Dingen umgehen sollten.

Was das Wegwerfen schwierig macht

Er kann das gut verstehen. „Wenn so eine Figur oder ein Bild lange an einem Platz bei der verstorbenen Mutter oder dem Vater gehangen hat, dann mag man es nicht einfach wegschmeißen.“

Auch deshalb, weil man weiß, dass vor vielen Bildern und Figuren zahllose Gebete gesprochen wurden. Dennoch bleibe die Frage: Kann auch die nächste oder übernächste Generation mit solchen Gedanken noch etwas anfangen?

Der Anhänger ist voll

In der Kirche hat Rudolf Göken jetzt alles auf seinen Fahrrad-Anhänger gepackt und zieht ihn durch das Hauptportal hinaus. Er ist wieder bis oben voll, ein paar Kreuze ragen heraus.

Jetzt klingelt er noch kurz beim Pfarrbüro, denn auch dort haben Menschen Dinge abgegeben. So viele, dass Rudolf Göken diesmal gar nicht alles mitnehmen kann.

Nur wenige wertvolle Kreuze und Statuen

Richtig wertvoll sind die meisten Sachen nicht. Figuren aus Gips oder Kreuze mit Christus-Darstellungen aus dünnem Blech zum Beispiel. Oft einfache Massenware.

Aber darum geht es Rudolf Göken nicht. „Auch für sie wäre es zu schade, wenn sie irgendwann einfach in einem Container verschwinden würden.“

Irgendwann eine Ausstellung?

Vorerst sammelt der Rentner alles in einem Gebäude in der Nähe seines Wohnhauses, seinem „Depot“, wie er es nennt. Irgendwann, so seine Idee, möchte er die Dinge von einem Kunstexperten durchsehen lassen. Die Idee dahinter: „Vielleicht lässt sich ja aus den bedeutenderen Stücken eine Ausstellung machen.“

Und der Rest? Auch dafür hat Rudolf Göken einen Plan: Aus den Gegenständen aus Metall könne ein Künstler, etwa ein Schmied, ein neues großes Kreuz schmieden, vielleicht mit einer Tafel zur Geschichte de Aktion.

Anderes, etwa die hölzernen Kreuze und Figuren, soll verbrannt und in einer Urne auf dem Friedhof beisetzt werden. Als würdige Alternative zu einem Schuttcontainer.

Anzeige