Annette Jantzen zu theologischen Leerstellen

Was der Gesellschaft ohne Theologie fehlen würde

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Braucht es die Theologie als Disziplin an staatlichen Universitäten? Die deutschen Bischöfe geben eine „interessante Antwort“ erklärt Theologin Annette Janzen in ihrem Gastkommentar und sieht die Theologie selbst in der Pflicht, um gesellschaftlich relevant zu bleiben.

Was fehlt, wenn Theologie fehlt? Welche wichtigen Fragen werden nicht gestellt über Weltzusammenhänge, Sinnfragen, das Leben mit dem Sterben, wenn theologische Forschung und Lehre fehlt? Und vor allem: Wem fehlt das dann?

Die deutschen Bischöfe in Gestalt ihrer Glaubenskommission haben auf diese Fragen kürzlich mit der Erklärung zur Theologie in der Gesellschaft eine interessante Antwort vorgelegt: Sowohl der Gesellschaft als auch der Universität selbst würde ein Raum des unverzweckten Verstehens fehlen. Der Text bezieht sich ausdrücklich auf die Theologie an staatlichen Universitäten und würdigt überraschend deutlich die Freiheit der Lehre.

Theologiedefizit wird kaum thematisiert

Die Autorin
Dr. Annette Jantzen, Theologin und Autorin, ist tätig als Frauenseelsorgerin im Bistum Aachen.

Der Wermutstropfen: Das Papier benennt nicht, dass diese Standortbestimmung innerkirchlich nicht allgemein anerkannt ist, und fordert darum die Debatte darüber auch nicht explizit ein, so wie es auch das innerkirchliche Theologiedefizit kaum thematisiert. Dabei kommt von dem Schatz, den die Theologie zu bieten hätte, so oft nur eine Sammlung billiger Kopien in Gemeinden und Einrichtungen, in kirchlichen Strukturen und Prozessen an. 

So oft versagt die kirchliche Sprache darin, einen Raum der Unverfügbarkeit zu öffnen, in dem Menschen in Kontakt kommen können mit dem, was ihr Leben trägt. Im Gegenteil – kirchliche Sprache ist leider besonders in der Liturgie so steif und vom theologischen Gehalt her mindestens fragwürdig.

Theologie leidet unter Sprachdefizit

So viel intensives theologisches Arbeiten gleitet wie an einem Teflon-Mantel ab an liturgischen Vorgaben und ihren nicht mehr anschlussfähigen Menschen-, Welt- und Gottesbildern, und so viel Klerikalismus speist sich aus ärgerlich vereinfachten Denkfiguren. Wo der verantwortete Glaube zur Sprache kommen sollte, herrscht Belanglosigkeit, und es ist kein Wunder, wenn immer mehr Menschen sich daraus verabschieden.

Aber wenn zwei Seiten nicht mehr zusammen finden, ist selten nur eine allein dafür verantwortlich. Die Theologie-Taubheit kirchlich-liturgischer Vorgaben, so sehr sie von Autoritätssicherung und Gottprotzigkeit getragen sein mögen, hat ihr Pendant im Sprachdefizit der Theologie, die es leider auch oft nicht schafft, sich klar und verständlich, uneitel und lebensnah in den Dienst an Gesellschaft und Kirche zu stellen.

Es wäre zu wünschen, dass die Erklärung den theologischen Mut zur Klarheit und zur Freiheit stärken würde, nicht zuletzt bei den Menschen im pastoralen Dienst.

In unseren Gastkommentaren schildern die Autor:innen ihre persönliche Meinung zu einem selbst gewählten Thema. Sie sind Teil der Kultur von Meinungsvielfalt in unserem Medium und ein Beitrag zu einer Kirche, deren Anliegen es ist, die Zeichen der Zeit zu erkennen.

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