Kirche+Leben-Interview mit der BDKJ-Bundesvorsitzenden Lena Bloemacher

Bundeshaushalt: Warum Jugendverbände die Schuldenbremse ablehnen

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Einigung auf Eckpunkte für den Bundeshaushalt – und nun? Kirche+Leben fragt Lena Bloemacher, Vorsitzende des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ), warum sie die Schuldenbremse ablehnt – und was ihr bei den Freiwilligendiensten fehlt.

Frau Bloemacher, die Jugendverbände hatten in einem Brandbrief an die Ampel-Parteien (siehe Kasten am Textende) gefordert, die Schuldenbremse aufzuheben. Warum? Dann müsste doch die heute junge Generation die Schuldenlast später tragen.

Die Verringerung der Schuldenlast ist nicht per se generationengerecht. Es ist für junge Menschen eben nicht wichtiger, einen weniger verschuldeten Staat zu haben, wenn sie als Konsequenz in einem ausgehölten Sozialstaat leben müssen. Es werden aktuell Investitionen nicht getätigt. Das hat zur Konsequenz, dass in naher Zukunft wesentlich mehr Kosten für die Wiederherstellung einer kaputtgesparten Infrastruktur ausgegeben werden müssen. Und welche Konsequenzen es hat, wenn wir Klimaziele nicht erreichen und nicht endlich anfangen, ernstgemeinten Klimaschutz – der Kosten verursacht – für diesen Planeten zu betreiben, davon will ich gar nicht erst anfangen.

In dem Brandbrief wurde vor Einsparungen im Jugendbereich gewarnt. Wie ist Ihr erster Eindruck nach der Vorstellung des Haushaltsentwurfs – sind Sie zufrieden? 

Im Brandbrief haben wir mit unseren Partner*innen benannt, dass wir alle täglich die Auswirkungen der Krisen der letzten Jahre auf Kinder und Jugendliche erleben. Wir alle sehen, dass sich soziale Ungerechtigkeiten verschärfen, dass auch dadurch das Miteinander, auf dem unsere Gesellschaft und Demokratie aufbaut, gefährdet ist. In Zeiten, in denen Rechtsextremismus so viel Nährboden findet, muss der Staat in Demokratie investieren, in zivilgesellschaftliche Organisationen wie die Jugendverbände, die Werkstätten der Demokratie sind, aber auch in die Jugendsozialarbeit, in Bildungs- und Kultureinrichtungen. Was wir bräuchten, wäre ein Haushalt, der Hoffnung macht. Aktuell sehe ich, dass vielleicht der Minimalwunsch erfüllt wäre, wenn es so kommt, wie geplant – keine Kürzungen. Ich muss aber auch dazu legen, dass jede fehlende Erhöhung in unseren Etats bei steigenden Kosten faktisch eine Kürzung bedeutet. Deshalb können wir in unserem Engagement für eine bedarfsgerechte Finanzierung von Kinder- und Jugendarbeit nicht nachlassen.

Wie bewerten Sie das Ergebnis bei den Freiwilligendiensten?

Zum jetzigen Zeitpunkt liegen uns leider noch keine belastbaren Informationen und Zahlen über den Einzelplan vor, in dem die Mittel der Freiwilligendienste behandelt werden. Aus den Medien haben wir vernommen, dass sich die Fördermittel für 2025 an den tatsächlich durch die Träger abgerufenen Mitteln im Jahr 2023 orientieren sollen.

Vor diesem Hintergrund nehmen wir die aktuellen Entscheidungen – die relative Verstetigung der Mittel für das Haushaltsjahr 2025 – als Verhandlungserfolg wahr und begrüßen den Stellenwert, der den Freiwilligendiensten beigemessen wird. Aber auch hier muss in aller Deutlichkeit gesagt werden: Der Weg hin zu dieser nun angekündigten Haushaltslage war ein Kraftakt für unsere Partner*innen und uns.

Wir können nicht jedes Jahr mit einer solchen Unsicherheit leben und so viele Ressourcen in den Erhalt unserer Arbeitsfähigkeit geben statt in unsere tatsächliche Arbeit. De facto stellt auch hier eine Nicht-Erhöhung der Fördermittel für die Praxis eine Mittelkürzung dar. Zusammen mit der gesamten verbandlich organisierten Zivilgesellschaft und den Zentralstellen und Trägern der Freiwilligendienste im In- und Ausland fordern wir mittelfristig daher den Rechtsanspruch auf die Förderung eines Freiwilligendienstes, um die Freiwilligendienste aus den jährlichen Haushaltsdebatten herauslösen zu können und als gesetzliche Pflichtaufgabe zu verankern. Dafür werden wir politisch in den nächsten Monaten weiter werben.

Der „Brandbrief“ der Jugendverbände
Wenige Tage bevor die Spitzen von SPD, Grünen und FDP ihren Entwurf für einen Bundeshaushalt vorlegten, hatten verschiedene Jugendverbände einen Brandbrief an die Ampel-Parteien geschickt: Jusos, die Grüne Jugend, die DGB-Jugend, der Bundesjugendring, zu dem auch der BDKJ gehört, und weitere Verbände. Sechs Millionen Mitglieder versammeln sich in den Verbänden. Kernforderung des Briefes: Die Schuldenbremse muss weg. Die Jugendverbände werfen der Ampel unter anderem vor, die Schließung von Jugendbildungsstätten und Schwimmbädern zu verantworten und die Infrastruktur verfallen zu lassen. Im nun vorliegenden Haushaltsentwurf soll es – anders als zunächst geplant – keine Kürzungen beim Bundesfreiwilligendienst und bei der Förderung politischer und kultureller Kinder- und Jugendarbeit geben. | phi.

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