Anke Lucht zu Einsamkeit in der Gesellschaft

Wir sind genug, dass niemand einsam sein muss

Anzeige

Einsamkeit ist in unserer Gesellschaft ein weit verbreitetes Phänomen. Sie ist nicht immer leicht zu erkennen. Und dennoch können wir alle dagegen was tun, ist sich Anke Lucht in ihrem Gastkommentar sicher.

Stellen Sie sich bitte folgende Szene vor: Ein Mensch ist krank. Die Krankheit schwächt und quält. Zum Glück ist sie heilbar. Der oder die Betroffene weiß, dass Nachbarn, Bekannte, Kolleginnen und Kollegen und viele andere im Umfeld über das nötige Medikament verfügen.

Aber niemand bringt es vorbei. Am Krankenlager macht sich Verzweiflung breit: Bemerkt niemand mein Leiden? Oder interessiert es keinen? Ist es meine Verantwortung, mir Hilfe zu verschaffen? Und wie mache ich das?

Jeder sechste Deutsche fühlt sich einsam

Die Autorin
Anke Lucht ist stellvertretende Pressesprecherin und stellvertretende Leiterin der Stabsstelle Kommunikation des Bistums Münster. Sie stammt aus Holdorf, ist verheiratet und hat zwei Stiefkinder. Nach dem Studium absolvierte sie ein Volontariat bei der Oldenburgischen Volkszeitung in Vechta. Ab 2001 war sie Pressesprecherin der Gemeinde Wallenhorst. 2013 wechselte sie zum Bistum Münster.

Wahrscheinlich finden Sie es abwegig, einer Person in einer solchen Lage Medizin und damit Heilung vorzuenthalten. Dennoch geschieht genau das täglich und auch in unserem Umfeld bei einem Leiden, das einer Krankheit ähnelt: Einsamkeit.

Jede/r sechste Deutsche gab 2022 an, sich oft einsam zu fühlen. Diese Zahl hat das Bundesfamilienministerium Ende Mai im Einsamkeitsbarometer 2024 veröffentlicht, zusammen mit weiteren Fakten, etwa zur Verteilung von Einsamkeitsgefühlen je nach Geschlecht, Altersgruppe, Heimatregion oder Lebenslage.

Wir müssen genauer hinsehen

Einsamkeit ist keine Privatsache. Das Leiden daran kann die Gesundheit beeinträchtigen und sogar krank machen. Unsere Gesellschaft müsste also ein Interesse haben, Menschen von Einsamkeit zu kurieren – aus Eigennutz. Bei uns Christinnen und Christen sollte dieses Interesse besonders ausgeprägt sein – aus Nächstenliebe.

Die Herausforderung: Einsamkeit ist oft nicht leicht zu diagnostizieren. Sie trifft manche, bei denen Außenstehende sie nicht vermuten: Menschen in Partnerschaften, inmitten eines wuseligen Berufslebens, Jüngere. Trotzdem können wir Einsamkeit erkennen, wenn wir hinsehen wollen.

Vielleicht mal die Familie öffnen?

Das Gute: Die Heilung ist – das dürfte die Krankenkasse ebenso freuen wie den Bundesgesundheitsminister – kostengünstig und erfordert nicht mal medizinisches Fachpersonal. Denn die Medizin können wir alle rezeptfrei bereitstellen, oft mit wenig Aufwand. Vielleicht können wir an einem Sonn- oder Feiertag unsere Familie öffnen und jemanden einladen? Oder gerade jetzt in den Ferien mit denen, die ihren Urlaub allein verbringen, Aktivitäten planen? Oder mal jemanden aufrichtig fragen, wie es geht und ob man sich auf einen Kaffee treffen möchte?

Das Familienministerium hat den Slogan „Gemeinsam gegen Einsamkeit“ formuliert. Lassen Sie uns in diesem Sinne aufeinander schauen, füreinander sensibel sein, nacheinander fragen, miteinander Zeit gestalten. Davon haben wir alle was. Wir sind genug, dass niemand einsam sein muss.

In unseren Gastkommentaren schildern die Autor:innen ihre persönliche Meinung zu einem selbst gewählten Thema. Sie sind Teil der Kultur von Meinungsvielfalt in unserem Medium und ein Beitrag zu einer Kirche, deren Anliegen es ist, die Zeichen der Zeit zu erkennen.

Anzeige