Mit einer symbolischen Aktion international bekannt

Friedrich Schorlemmer ist tot – Protestant, Pfarrer, DDR-Bürgerrechtler

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Der evangelische Theologe und DDR-Bürgerrechtler Friedrich Schorlemmer ist tot. Er wurde 80 Jahre alt. International bekannt wurde der Theologe 1983 mit einer symbolträchtigen Aktion. In der Wendezeit zählte er zu den Haupt-Protagonisten.  

Eine eher unscheinbare Aktion wurde weltberühmt: Am Abend des 24. September 1983 versammelten sich auf dem evangelischen Kirchentag in Wittenberg - damals DDR - rund 600 Menschen. Sie schauten zu, wie auf Initiative des Wittenberger Theologen Friedrich Schorlemmer der Kunstschmied Stefan Nau ein Schwert zu einer Pflugschar schmiedete. Der symbolische Akt "Schwerter zu Pflugscharen" sollte den Wunsch nach Frieden ausdrücken.

Schorlemmer gehörte zu den prominenten Kritikern des DDR-Regimes. Wenige Monate nach seinem 80. Geburtstag am 16. Mai ist der Theologe, Publizist und Bürgerrechtler am Montag nach langer Krankheit in einem Berliner Pflegeheim gestorben, wie der Evangelische Pressedienst (epd) am Dienstag aus Kreisen seiner Familie erfuhr.

Er wirkte wie Luther in Wittenberg

Geboren wurde Schorlemmer 1944 im brandenburgischen Wittenberge. Als Dozent kam er 1978 ans Evangelische Predigerseminar in die Lutherstadt Wittenberg. Er predigte an Martin Luthers ehemaliger Wirkungsstätte in der Schlosskirche, an deren Tür der Reformator vor mehr als 500 Jahren die 95 Thesen angeschlagen haben soll, die die Reformation auslösten.

Schorlemmer, Sohn eines evangelischen Pfarrers, war unangepasst. Er verweigerte als Pazifist den Wehrdienst. Als Pfarrerskind musste er sein Abitur an einer Volkshochschule ablegen.

Oppositioneller schon vor der Wende in der DDR

Später studierte er in Halle Theologie. In Wittenberg bildete sich um ihn eine oppositionelle Gruppe, der Wittenberger Friedenskreis. Die Aktion "Schwerter zu Pflugscharen" 1983 war ein Affront gegen den sozialistischen Staat, es war der Slogan der DDR-Friedensbewegung.

Fünf Jahre später, ein Jahr vor dem Mauerfall, legte Schorlemmer gemeinsam mit seiner Friedensgruppe die 20 “Wittenberger Thesen” für eine Demokratisierung der DDR vor: Freie Wahlen, unabhängige Gerichte, Reisefreiheit. Diese und andere Forderungen waren im Juni 1988 eine pure Provokation.

Protagonist der Wendezeit

Im Herbst 1989 sah Schorlemmer seine Stunde gekommen. Auf der berühmten Demonstration am 4. November 1989 auf dem Berliner Alexanderplatz war er einer der Redner, engagierte sich in der Partei "Demokratischer Aufbruch" - und blieb, was er auch vor der friedlichen Revolution war: unangepasst.

Als sich die Partei im Zug der ersten freien Volkskammerwahlen im Frühjahr 1990 der CDU zuwandte, trat er aus und schloss sich der SPD an. Er war Gegner einer schnellen Wiedervereinigung.

Nie in hohen Ämtern

Der Pfarrer erhielt zahlreiche Auszeichnungen, darunter die Carl-von-Ossietzky-Medaille, den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels und das Bundesverdienstkreuz. In höhere Ämter gelangte Schorlemmer allerdings nicht. Von 1990 bis 1994 war er Fraktionsvorsitzender der SPD im Wittenberger Stadtparlament, 1992 wurde er Studienleiter an der Evangelischen Akademie Wittenberg.

Einer seiner Weggefährten war Eckhard Naumann (SPD), von 1990 bis 2015 Bürgermeister, später Oberbürgermeister von Wittenberg. Kennengelernt hatten sich die beiden Anfang der 1980er Jahre in kirchlichen Friedenskreisen.

Streitbare Positionen

Schorlemmer sei immer kritischer Beobachter der politischen Verhältnisse geblieben, und das auf einem starken theologischen Fundament, sagt Naumann dem epd. Die neuen gesellschaftlichen Realitäten habe er aus links-protestantischer Tradition heraus bewertet.

So setzte sich Schorlemmer nach 1990 für eine Rehabilitierung der in PDS umbenannten SED ein. 1993 forderte er, die Stasi-Akten zu vernichten, was ihm Kritik anderer Bürgerrechtler einbrachte. 1999 schloss er sich der Forderung nach einer strafrechtlichen Amnestie für die DDR-Verantwortlichen an.

Zuletzt erkrankt

Frieden und soziale Gerechtigkeit hätten für Schorlemmer eine zentrale Rolle gespielt, sagt Naumann. Und er sei streitbar geblieben: "Wenn es ihm nicht gepasst hat, dann hat er es deutlich gesagt." In den vergangenen Jahren litt der mehrfache Vater und Großvater Friedrich Schorlemmer an Demenz und Parkinson, lebte in einem Berliner Pflegeheim und äußerte sich nicht mehr öffentlich.

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