Ein Rundgang mit Landesarchiv-Leiterin Mechthild Black-Veldtrup

Archivschätze aus Münster: Ablässe, Papsturkunden und ein früher G7-Gipfel

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Beim Wort Archiv denken viele an etwas Verstaubtes. Die Leiterin der Abteilung Westfalen des Landesarchivs Nordrhein-Westfalen, Mechthild Black-Veldtrup, ist jedoch überzeugt, dass alte Gegenstände und Dokumente eine Faszination auf Menschen ausüben. Bei einem Rundgang durch ihr Archiv hat sie für Kirche+Leben historische Schätze offengelegt.

Mechthild Black-Veldtrup öffnet die schwere Metalltür zu einem der Archivräume. Die Luft ist angenehm kühl. Sie schaltet das Licht an und gibt den Blick frei in meterlange Gänge mit deckenhohen Regalen, in denen unzählige Kartons verschiedener Größe lagern. “Ich habe ein bisschen für Sie vorbereitet”, sagt die Historikerin lächelnd. Sie geht zielstrebig zu einem Tisch, auf dem mehrere Kartons liegen.

Der erste Karton, den sie öffnet, enthält die älteste Urkunde des Landesarchivs Münster - eine Eigentumsurkunde, die Karl der Große 813 an einen Adeligen ausgestellt hat. Während diese Urkunde vor allem aufgrund ihres Alters besonders ist, stechen andere durch ihre künstlerische Gestaltung heraus. Zwei Ablassbriefe aus Lippstadt und Unna aus dem 14. und 16. Jahrhundert weisen bunte und goldene Verzierungen und kunstvolle Mariendarstellungen auf.

Königlicher Besuch in Mimigernaford

Außerdem präsentiert die Historikerin einige Archivalien mit Bezug zur Stadt Münster. In einer Urkunde aus dem Jahr 1040 ist die Einweihung der Überwasserkirche dokumentiert, bei der auch der damalige König Heinrich III. anwesend war. Die Stadt trug noch den Namen Mimigernaford.

Überlieferungen zufolge waren zu dem Anlass etwa 1.000 Menschen angereist, wodurch sich zusammen mit den Einwohnenden die Personenzahl innerhalb der Stadt verdoppelte. “Das war wie der G7-Gipfel heutzutage”, ordnet Black-Veldtrup ein.

Gebetsauftrag für Nonnen aus Münster

Der König reiste jedoch nicht ohne eine Gegenleistung nach Überwasser. Er bat die Nonnen, für seine verstorbenen Eltern, seine verstorbene Frau und ihn selbst zu beten.

Aus einem Totenbuch der Überwasserkirche aus dem 17. Jahrhundert geht hervor, dass die Ordensfrauen das Gebetsversprechen noch sechs Jahrhunderte später eingehalten haben. Darin sind die Todesdaten der Königsfamilie eingetragen, damit an diesen Tagen für sie gebetet wird.

Papsturkunde aus Papyrus

Im April 2024 hatte das Archiv die Restaurierung einer Papsturkunde aus dem Jahr 891 bekannt gegeben. Das Besondere des Dokuments sei nicht der Inhalt, so Black-Veldtrup, sondern das Material. Die Urkunde besteht aus Papyrus und ist die älteste erhaltene Urkunde ihrer Art nördlich der Alpen.

Die Papyrusurkunde hat seit ihrer Erstellung im neunten Jahrhundert für das Kloster Neuenheerse bei Bad Driburg eine verzweigte Reise hinter sich. Über Göttingen und Paderborn gelangte sie in den 1830er Jahren nach Münster.

Auf ihrem Weg gingen sowohl ein Teil des Anfangs als auch des Endes verloren. Letzteres wurde erst 2022 von der damaligen Professorin Hedwig Röckelein an der Universität Göttingen wiederentdeckt und als fehlender Teil der Papsturkunde identifiziert. Der Anfang der Urkunde ist weiter verschollen.

Staatliche und kirchliche Urkunden - und persönliche Nachlässe

Archivalien "dürfen und sollen" genutzt werden, betont Mechthild Black-Veldtrup. Im Landesarchiv werden neben kirchlichen und staatlichen Dokumenten auch persönliche Nachlässe aufbewahrt.

Darunter beispielsweise jener des ehemaligen münsterschen Studentenpfarrers Ferdinand Kerstiens. Der mittlerweile 93 -Jährige hat seine gesammelten Dokumente dem Archiv übergeben, damit sie der Nachwelt erhalten bleiben.

Als Historikerin und Archivarin leitet die 63-jährige Black-Veldtrup seit 2008 die Abteilung Westfalen des Landesarchivs Nordrhein-Westfalen. Außerdem ist sie Vorsitzende der Historischen Kommission für Westfalen und Direktorin des Vereins für Geschichte und Altertumskunde Westfalens, Abteilung Münster.

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