In Oldenburg helfen Ärzte Menschen in Not

Von Hautproblemen bis zur Entbindung - Malteser helfen ohne Krankenkarte

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Trotz Pflicht – nicht alle Menschen in Deutschland können sich auf eine Krankenversicherung verlassen. Die Malteser versuchen, Betroffenen zu helfen, zum Beispiel Migranten. Aber nicht nur die nutzen die Anlaufstelle in Oldenburg, eine von 18 in Deutschland.

Da ist zum Beispiel der Mann, den es nach dem Krieg im ehemaligen Jugoslawien nach Oldenburg verschlagen hat. Seit 30 Jahren lebt er in Deutschland, seit dem Krieg in seiner Heimat schlägt er sich irgendwie durch. Aus Angst, aufzufallen und abgeschoben zu werden, traut er sich nicht, seinen Status von einer Behörde klären zu lassen.

Und wenn er mal krank wird? Ohne Krankenversicherung? Dann sucht und findet er Hilfe bei den Maltesern. Dr. Bernward Wefer und weitere fünf Ärztinnen und Ärzte der „Malteser Medizin für Menschen ohne Krankenversicherung“ in Oldenburg fragen nicht nach Ausweis oder Formularen. Wenn der Mann zur Sprechstunde kommt, kann er sich auf Anonymität verlassen.

Malteser nehmen Wunsch nach Anonymität sehr ernst

„Wir nehmen das sehr ernst“, sagt Bernward Wefer. „Nur so vertrauen die Menschen uns auch. Und das ist wichtig.“ Malteser-Mitarbeiterin Monique Rakel, die das Angebot mitorganisiert, ergänzt: „Jeder ist sicher bei uns. Wir kümmern uns ausschließlich um medizinische Hilfe. Alles andere ist uns egal.“

Krankenschein? Herkunftsland? Geld? Aufenthaltsstatus? Das alles spielt keine Rolle, wenn Menschen an die Tür in der Heinrich-Renken-Straße klopfen. In den provisorischen Praxisräumen geht es nur um Gesundheit. Einen Computer gibt es nicht. Namen schreibt sich das Team nur auf, um den Überblick zu behalten und besser helfen zu können.

Großteil der Patienten aus EU-Ländern

Rund drei Viertel der Patienten, die mittwochnachmittags zu den Sprechstunden kommen, stammen aus EU-Ländern. „Schlachtarbeiter aus Polen oder Bulgarien zum Beispiel.“ Die für diese Beschäftigung keine Versicherung nachweisen müssten, aber die auch krank werden könnten.

Dr. Wefer und die anderen Ärzte sorgen – allesamt ehrenamtlich – dafür, dass die Stelle mittwochs von 14.30 bis 16 Uhr offen sein kann. Der 82-Jährige war früher Hausarzt in Visbek (Kreis Vechta), engagiert sich schon seit Jahrzehnten für die Malteser und hat das Angebot in Oldenburg 2015 mit aufgebaut. „Ich sehe einfach die Notwendigkeit, dass sich jemand um diese Menschen kümmern muss“, sagt er.

Auch Deutsche unter den Patienten

Zu den Patienten zählen mit fünf Prozent zwar zahlenmäßig wenige, aber durchaus auch Deutsche. Bernward Wefer berichtet von einer älteren Dame. Sie sei wegen Hautproblemen in die Sprechstunde gekommen. „Eine aufwändige Behandlung kann sie sich nicht leisten, weil sie nicht versichert ist. Und da helfen wir ihr immer wieder bei akuten Problemen.“

Bernward Wefer: „Das Paradebeispiel für deutsche Menschen ohne Krankenversicherung ist die Friseurin, die mal selbständig und privat krankenversichert war.“ Bis die Kunden ausblieben, sie ihren Laden schließen musste und kein Geld mehr hatte, um ihre Versicherung zu bezahlen. Der Weg in die gesetzliche Krankenversicherung sei dann meist verbaut. „Aber auch diese Leute müssen versorgt werden. Das ist mein Anspruch. Nicht mehr und nicht weniger“, sagt der Arzt.

Malteser-Sprechstunde bietet nur eine Basisversorgung

In der Malteser-Sprechstunde ist lediglich eine Basisversorgung möglich. Magen-Darm- und Atemwegserkrankungen oder Hautkrankheiten – häufig haben die Ärzte es dort mit solchen Problemen zu tun. Nach der Untersuchung gibt es – falls nötig – ein Rezept. „Ein spezielles Malteser-Rezept“, wie Dr. Wefer erklärt. „Das können sie an einer bestimmten Apotheke in der Stadt einlösen.“ Die Kosten dafür übernehmen die Malteser.

Auch Schwangerschaftsbetreuung für Menschen ohne Krankenversicherung sei wichtig, erklärt Monique Rakel. Zum Beispiel für Saisonarbeiterinnen, etwa aus Polen. Viele hätten zwar eine Krankenversicherung für ihren Aufenthalt in Deutschland abgeschlossen. Die Begleitung einer Schwangerschaft zähle aber nicht zu den versicherten Leistungen.

Für Entbindungen haben Malteser eine kooperierende Klinik

Deshalb ist Bernward Wefer froh, neben weiteren kooperierenden Fachärzten für weitergehende Untersuchungen mittlerweile auch eine Gynäkologin im ehrenamtlichen Team zu wissen. „Die Kosten für die dann notwendigen Untersuchungen, auch für Laboruntersuchungen, übernehmen die Malteser“, sagt Monique Rakel.

Und für Entbindungen haben die Oldenburger Malteser eine Vereinbarung mit dem Evangelischen Krankenhaus in der Stadt geschlossen. „Kostenneutral“, sagt Bernward Wefer. Ähnliche Vereinbarungen für den Fall einer notwendigen stationären Behandlung gebe es mit allen katholischen Krankenhäusern im niedersächsischen Teil des Bistums Münster. „Damit sie uns im Falle des Falles Patienten abnehmen und ebenfalls kostenneutral behandeln.“

Für Obdachlose ist der Weg weit geworden

Obdachlose kommen eher selten in die Sprechstunde. Die neue Malteser-Zentrale mit der Praxis liegt im Oldenburger Stadtnorden. Ideal sei das nicht, meint Bernward Wefer. „Die Frage ist, wie wir auch ohne die Anmietung teurer Räumlichkeiten näher ran kommen können an die Menschen. Denn wir müssen die Menschen erreichen.“

Ein Thema, über das er und seine Kolleginnen und Kollegen im Team bald mit anderen Verantwortlichen in der Malteser-Spitze des Oldenburger Lands sprechen wollen. Bernward Wefer: „Ein Konzept kann und muss sich ja immer weiterentwickeln.“

In Deutschland leben nach offiziellen Angaben mindestens 80.000 Menschen ohne eine Krankenversicherung. Bundesweit haben die Malteser 2020 in speziellen Sprechstunden gut 5.000 Menschen versorgt. Oldenburg ist einer von 18 Malteser-Standorten in Deutschland, an denen Menschen ohne Krankenversicherung Hilfe bekommen können. Das nächste vergleichbare Angebot gibt es in Osnabrück, ebenfalls von Maltesern. Eine vergleichbare Stelle in Bremen kümmert sich ausschließlich um Menschen aus dem Stadtstaat. Auch in Münster gibt es ein Malteser-Angebot am Daimlerweg 33. Es ist geöffnet jeden Dienstag von 10 bis 14 Uhr. Die Oldenburger Malteser-Praxis an der Heinrich-Renken-Straße 1 ist immer mittwochs von 14.30 bis 16 Uhr besetzt.

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