ZdK-Generalsekretär Marc Frings zum Relevanzverlust in der Gesellschaft

Kirchen bleiben kompetente Gesprächspartnerinnen, müssen aber liefern

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Welche Rolle spielen die Kirchen in der Gesellschaft? Noch gibt es immerhin Erwartungen, sagt Marc Fings, Generalsekretär des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, im Gast-Kommentar. Doch es gebe klare Aufgaben.

Kapital gegen Arbeit, Stadt gegen Land, Zentrum gegen Peripherie. Diese Cleavages nutzt die Politikwissenschaft seit den 1960er Jahren, um Konfliktlinien in Entscheidungsprozessen zu beschreiben. Eine vierte Konfliktlinie trennt Kirche und Staat. Spätestens seit der sechsten Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung (KMU) stellt sich die Frage, ob die Kirche sich selbst marginalisiert, da sie den Säkularisierungstendenzen nicht mehr standhält. 

Jetzt gilt es, die Weichen für die eigene Zukunftsfähigkeit zu stellen, um in zehn Jahren – wenn die Nachfolgestudie erscheint – nicht attestiert zu bekommen, dass man die zentralen Erkenntnisse überlesen hat. Dafür gilt es, die Studie – entgegen einer veränderten Aufmerksamkeitsökonomie – in der öffentlichen Debatte zu halten.

Eine Botschaft an die Boykott-Bischöfe

Vor der Klammer steht für mich ein ökumenischer Auftrag: Konfessionell getrennte Transformationsprozesse sind weder für die Kirchen noch für ihre (engagierten) Mitglieder förderlich. Dafür müssen die Kirchen hoffnungsstiftende Aspekte der KMU in Handlungsanleitungen übersetzen, da weiterhin hohe Erwartungen an sie bestehen. 

Innerkonfessionell sollte die katholische Kirche, insbesondere sollten die Bischöfe, die den Synodalen Ausschuss boykottieren, die 96 Prozent ihrer Mitglieder ernstnehmen, die grundlegende Reformen erwarten.

Größere Bündnisse

Der Autor:
Marc Frings ist seit 2020 Generalsekretär des ZdK. Er studierte Politikwissenschaft, Jura sowie Friedens- und Konfliktforschung.

Bündnisse müssen größer gedacht werden. Das ZdK blickt auf einen gelungenen Katholikentag in Erfurt zurück, bei dem der Beitrag der katholischen Zivilgesellschaft zur Verteidigung von Demokratie und Vielfalt sichtbar wurde. Der Zuspruch, den der Katholikentag in Thüringen erfuhr, wo 75 Prozent keiner Religion angehören, stützt die KMU-These einer breiten gesellschaftlichen Erwartungshaltung gegenüber den Kirchen. Mit klaren Statements für Menschenwürde und Nachhaltigkeit und gegen Rechtsradikalismus bleiben die Kirchen relevante Gesprächs- und Koalitionspartnerinnen. 

Dass sich 46 Prozent der evangelischen und 49 Prozent der katholischen Befragten ehrenamtlich engagieren, zeigt das anhaltende Bestreben der Christ*innen, ihren Glauben praktisch anzuwenden. Das stimmt ebenso zuversichtlich wie die geringere AfD-Unterstützung bei den Europawahlen durch Christ*innen (protestantisch 14 Prozent, katholische 12 Prozent) im Vergleich zur Gesamtbevölkerung (15,9 Prozent). Will sie sich als gesellschaftlicher Motor halten, muss die Kirche ihre Kompetenz als Verteidigerin von Demokratie und Repräsentantin des Ehrenamts stärken.

In unseren Gastkommentaren schildern die Autor:innen ihre persönliche Meinung zu einem selbst gewählten Thema. Sie sind Teil der Kultur von Meinungsvielfalt in unserem Medium und ein Beitrag zu einer Kirche, deren Anliegen es ist, die Zeichen der Zeit zu erkennen.

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