Untersuchung seiner Amtszeit von 1981 bis 2001

Missbrauchsstudie: Früherer Trierer Bischof Spital handelte fahrlässig

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Im Bistum Trier sind Fälle sexualisierter Gewalt in der Amtszeit des verstorbenen Bischofs Hermann Josef Spital untersucht worden. Das Ergebnis: Unter Spitals Leitung wurde fahrlässig mit Tätern umgegangen. Auch staatliche Behörden hätten falsch gehandelt.

Erstmals ist der Umfang sexuellen Missbrauchs im Bistum Trier während der Amtszeit des aus Münster stammenden Bischofs Hermann Josef Spital umfassend wissenschaftlich untersucht worden. Der 2007 verstorbene Spital war von 1981 bis 2001 im Amt.

Laut einer in Trier vorgestellten Studie gab es seinerzeit mindestens 199 Betroffene sexualisierter Gewalt. Die Untersuchung zählt 49 Beschuldigte und mutmaßliche Täter. Bis auf fünf Personen waren alle Betroffenen minderjährig.

Hellfeld untersucht - Zahlen vermutlich höher

Die Wissenschaftler der Universität Trier sprechen von einem Hellfeld und vermuten, dass die tatsächlichen Zahlen höher liegen. Bei den Recherchen stießen die Studienautoren Lutz Raphael, Lena Haase und Alisa Alic auch auf drei Personen, die sich in zeitlicher Nähe zur erlittenen sexualisierten Gewalt das Leben nahmen.

Die genauen Umstände könnten zwar nicht mehr aufgeklärt werden. Doch diese Fälle zeigten, "welche tiefgreifenden seelischen Nöte und psychischen Schädigungen durch den sexuellen Missbrauch von Kindern und Jugendlichen entstehen konnten".

Pflicht zur Anzeige "vollständig vernachlässigt"

Kritik formuliert die Studie an der Bistumsleitung: "Während für die Aufklärung intern Sorge getragen wurde, so wurde die moralische Pflicht zu Anzeige und Information staatlicher Stellen vollständig vernachlässigt."

Zwar sei über eine unabhängige Kommission zur Prüfung der Vorwürfe gesprochen, diese aber nie eingerichtet worden. Laut Studie waren der damaligen Bistumsleitung 20 Beschuldigte bekannt. 29 weitere Beschuldigte seien ab 2010 gemeldet worden.

Kein einziges kirchenrechtliches Verfahren

"Spital stellte sich der Aufgabe, Anzeigen sexuellen Missbrauchs nachzugehen, seine Lösungen waren getragen von pastoralem Vertrauen, aber völlig unangemessen angesichts des hohen Rückfallrisikos gerade von Intensivtätern", kritisieren die Forscher. So sei etwa kein einziges kirchenrechtliches Verfahren eingeleitet worden.

"Man beließ es - wenn diese erfolgten - bei den staatlicherseits verhängten Strafen", schreiben die Studienautoren. In den 20 Jahren habe es nur drei Verurteilungen gegeben. Die Täter erhielten jeweils zwei Jahre auf Bewährung für zwischen 25 und 41 Taten.

Bischof Spital sprach mit Eltern von Betroffenen

"Bischof Spital ging persönlich neue Wege pastoraler Verantwortung, als er Gespräche mit Eltern betroffener Minderjähriger führte, sich um die Belange Betroffener kümmerte", heißt es in dem Bericht. Er war laut Studie mit mindestens 13 Fällen selbst befasst.

Es lasse sich für Bischof Spital keine aktive Vertuschung von einzelnen Fällen des sexuellen Missbrauchs feststellen. Allerdings sei unter seiner Leitung fahrlässig gehandelt worden, wenn weitere Kinder und Jugendliche den bekannten Tätern ausgesetzt worden seien.

Fehler staatlicher Behörden im Bistum Trier

Kritisiert werden auch staatliche Behörden in Rheinland-Pfalz und dem Saarland. Die juristische Ahndung sei in Trier und Saarbrücken von Milde geprägt gewesen.

Bei Ministerien und Schulbehörden habe die Kenntnis über sexuelle Übergriffe keineswegs immer zur Anzeige bei der Polizei geführt. "Vielmehr überwog die Hoffnung auf einen geräuschlosen Ablauf und ein Versanden der Angelegenheit ohne Einschaltung der Strafverfolgungsbehörden", führen die Autoren aus.

Amtszeiten von Marx und Ackermann vor Prüfung

Grundlage der Studie waren mehr als 1.000 kirchliche Personalakten sowie 20 Gespräche mit Betroffenen und Zeitzeugen. Mit 77,3 Prozent seien die Betroffenen männlich, zu 21,6 Prozent weiblich gewesen. In zwei Fällen wurde demnach nicht klar, ob die missbrauchte Person männlich oder weiblich war. Neben dem Missbrauch habe es auch zwei Fälle körperlicher Gewalt gegeben.

Die Studie ist Teil des Projekts "Sexueller Missbrauch von Minderjährigen sowie hilfs- und schutzbedürftigen erwachsenen Personen durch Kleriker/Laien im Zeitraum von 1946 bis 2021 im Verantwortungsbereich der Diözese Trier - eine historische Untersuchung". Auch die Amtszeiten der Bischöfe Reinhard Marx ab 2002 und Stephan Ackermann seit 2009 sollen untersucht werden.

Bischof Stephan Ackermann kritisiert Spital

Ackermann kritisierte seinen Amtsvorgänger Spital für dessen Umgang mit Tätern. "Ein pastoraler Umgang mit Verbrechen ist verfehlt", sagte Ackermann am Mittwoch. Er rügte unter anderem, dass es zwischen 1981 und 2001 kein kirchenrechtliches Verfahren gegen einen Täter gab.

Ackermann betonte, dass hinter allen Zahlen immer Menschen stünden. Machtstrukturen in der Kirche hätten Missbrauch begünstigt, Aufklärung und Ahndung verhindert. Der Bischof versicherte, er setze sich dafür ein, dass Kirche ein sicherer Raum sei.

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