Franziskus zitiert NS-Widerstandskämpfer erneut

Papst wirft mit Bonhoeffer-Zitat Frage zum Christsein auf

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Der deutsche evangelische Theologe Dietrich Bonhoeffer wird weit über seine Kirche als Vorbild verehrt. Offenbar schätzt auch Papst Franziskus den NS-Gegner und Autor des Liedes „Von guten Mächten wunderbar geborgen“.

Papst Franziskus hat erneut den protestantischen Theologen und NS-Widerstandskämpfer Dietrich Bonhoeffer (1906-1945) zitiert. Der von den Nazis ermordete Pfarrer habe sich immer wieder die Frage gestellt, „was das Christentum oder auch wer Christus heute für uns eigentlich ist“, zitierte der Papst am Sonntag beim Mittagsgebet auf dem Petersplatz einen Brief Bonhoeffers aus der Haft. „Leider stellen sich viele diese Frage nicht mehr und bleiben 'ruhig und träge' auch fern von Gott“, sagte Franziskus.

Stattdessen sollten sich die Menschen fragen, wer Jesus für sie ist, ob sie sich von ihm aufrütteln lassen und welchen Platz er in ihrem Leben einnimmt, führte der Papst aus. Es reiche nicht, die kirchliche Lehre zu kennen und Gebete richtig wiederzugeben. „Folge ich Jesus nur in Worten und verfolge weiterhin eine weltliche Einstellung, oder folge ich ihm und lasse zu, dass die Begegnung mit ihm mein Leben verändert?“ Damit wandle sich die Art zu denken und zu handeln, die Beziehungen zu den Mitmenschen und die Bereitschaft, sie anzunehmen und zu vergeben. „Alles ändert sich, wenn man Jesus wirklich kennt“, betonte das Kirchenoberhaupt.

Bonhoeffer-Zitat auf katholischen Reformprozess angewandt

Papst Franziskus hatte schon in seiner Botschaft zum Welttag der sozialen Kommunikation im Januar 2022 auf ein Zitat des deutschen evangelischen Theologen Bonhoeffer verwiesen: „Wer seinem Bruder nicht zuhören kann, der wird auch bald Gott nicht mehr zuhören können.“ Damals bezog er das Zitat auf den kurz zuvor begonnenen synodalen Prozess der Weltkirche, der auf eine neue Art zu beraten und zu entscheiden abzielt. Im Oktober soll dieser Reformprozess bei der Weltbischofssynode in Rom in ihre entscheidende Phase gehen.

Der evangelische Theologe und Pfarrer Bonhoeffer wurde am 9. April 1945 im KZ Flossenbürg auf ausdrücklichen Befehl Adolf Hitlers ermordet. Er gilt als Wegbereiter der Ökumene. Den von Papst Franziskus zitierten Satz „Was mich unablässig bewegt, ist die Frage, was das Christentum oder auch wer Christus heute für uns eigentlich ist“ schrieb Bonhoeffer am 30. April 1944 in Tegel in Nazi-Gefangenschaft. (Aus: Widerstand und Ergebung. Briefe und Aufzeichnungen aus der Haft, herausgegeben von Eberhard Bethge, München: Kaiser-Verlag 1951).

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