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Die katholische Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung Vinzenzwerk in Münster-Handorf sucht Pflegefamilien für Kinder, die nicht (mehr) bei ihren leiblichen Eltern leben können. Eine ungewöhnliche Werbeaktion sorgt für einige Resonanz.
Diese Tüte fällt auf: Derzeit sind auf Brötchentüten in 13 Filialen der Bäckerei Hosselmann in Münster ein Erwachsener und ein Kind im Superheldenkostüm zu sehen - und die Worte: "Zukunft. Wundertoll. Dank Dir!" Das Vinzenzwerk Handorf, eine katholische Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung, wirbt damit um Pflegefamilien für Kinder, die nicht (mehr) bei ihren leiblichen Eltern leben können.
Die Nachfrage sei größer als die Zahl an Personen, die ein Kind aufnehmen möchten, sagt Mona Sabbagh. Die Einrichtung hat 30.000 Tüten bedrucken lassen. Sind sie aufgebraucht, wird eventuell nachproduziert. Auch eine Ausdehnung der Aktion auf weitere Bäckereien ist denkbar.
Tüten, Banner, Postkarten, Bus-Werbung
Die Brötchentüten sind eine von mehreren Werbemaßnahmen. Außerdem hat das Vinzenzwerk Banner auf dem Weg nach Handorf aufgestellt und Gratispostkarten in Kneipen ausgelegt. Es liefen Werbespots im Lokalradio und bei WDR 2. Ein Linienbus, der mit der Werbung beklebt wurde, fuhr von Januar bis einschließlich Juni durch Münster.
Bus-Werbung und Gratispostkarten hätten jedoch einen geringeren Effekt gehabt als die Brötchentüten, berichtet Sabbagh. “Wir haben gerade so eine große Resonanz wie nach keiner anderen Werbung."
Mehr Pflegekinder als Pflegefamilien
2022 lebten in Deutschland 86.000 Kinder in Pflegefamilien. Wenn ein Kind beispielsweise aufgrund von Vernachlässigung oder Gewalterfahrungen nicht (mehr) in seiner Herkunftsfamilie leben kann, kontaktiert das zuständige Jugendamt Einrichtungen wie das Vinzenzwerk. Sind die Kinder sechs Jahre oder älter, können sie in einer Wohngruppe mit anderen Kindern leben. Jüngere Kinder müssen in einer Pflegefamilie unterkommen. Die Beschäftigten der Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung haben die Aufgabe, eine geeignete Familie zu suchen.
Das Vinzenzwerk bekommt im Durchschnitt fünf Anfragen pro Woche. Doch das Team beobachtet, dass immer weniger Familien Pflegefamilie werden wollen. Darum die Werbe-Offensive, berichtet Sabbagh. Die 39-jährige Diplom-Pädagogin arbeitet seit vier Jahren als Systemische Beraterin beim Vinzenzwerk.
Warum es zu wenige Pflegefamilien gibt
Die geringe Bereitschaft liegt laut Sabbagh unter anderem daran, dass sich Familienstrukturen verändert haben. Heute bekommen Frauen laut Statistik durchschnittlich weniger als zwei Kinder. Außerdem seien Mehrgenerationenhaushalte, in denen Großeltern bei der Erziehung der Kinder unterstützen könnten, im Vergleich zu früher weniger geworden.
Zudem habe es früher mehr Familien mit klassischer Rollenverteilung der Familienarbeit gegeben. Heute würden Vater und Mutter häufig beide arbeiten gehen und seien im Alltag sehr ausgelastet. Dadurch hätten sie weniger Ressourcen, neben den eigenen Kindern ein weiteres zur Pflege aufzunehmen.
Welche Voraussetzungen Pflegefamilien brauchen
Bei der Suche nach einem geeigneten Zuhause fasst das Vinzenzwerk den Familienbegriff jedoch weit - über klassische Konstellationen hinaus. Die Einrichtung möchte auch gleichgeschlechtliche Paare, Alleinerziehende oder ältere Menschen ansprechen.
Es gibt nur wenige feste Voraussetzungen: Die Pflegefamilie oder -person darf nicht finanziell abhängig sein vom Pflegegeld, das sie für die Aufnahme des Kindes erhält; es darf keinen Eintrag im polizeilichen Führungszeugnis geben; es braucht ein Gesundheitszeugnis, das die körperliche Eignung für die Erziehung und Betreuung eines Kindes bescheinigt. Außerdem muss das Kind ein eigenes Zimmer in seinem neuen Zuhause haben.
Wenn diese Voraussetzungen stimmen, beginnt der Prozess der Kontaktaufnahme zwischen Pflegefamilie und Kind, der insgesamt neun Monate oder länger dauern kann. Dabei wird in mehreren Schritten geprüft, ob die Menschen zueinander passen.
