Zwei Caritas-Häuser verstehen sich als besonders offen für queere Menschen

Queere Senioren unter Caritas-Dach: Ein besonderes Kölner Altenheim

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Beim Christopher Street Day am morgigen Sonntag in Köln ist ein besonderes katholisches Altenheim dabei: Das Caritas-Haus St. Maternus im Stadtteil Rodenkirchen will ein sicherer Ort für queere Menschen sein. 

Die Regenbogenfahne fällt kaum auf. Sie hängt am Turm der Kapelle, die zum Altenzentrum St. Maternus in Köln-Rodenkirchen gehört. Auch wenn das Symbol unscheinbar daherkommt, markiert es doch einen großen Wandel in der Caritas-Einrichtung: Seit mehr als einem Jahr bietet sie insbesondere queeren Menschen an, ihre letzte Lebensphase in dem Haus zu verbringen.

Schwule, Lesben und andere Personen, die nicht heterosexuell sind, sollen hier "ihr Leben ohne Ängste, frei von Ablehnung und in einem Umfeld voller Akzeptanz und Offenheit führen können". So heißt es in dem Leitfaden, der nicht nur für St. Maternus gilt, sondern auch für ein weiteres der sechs Häuser des katholischen Sozialverbands in Köln: für das Kardinal-Frings-Haus im multikulturellen Ehrenfeld.

Wie viele queere Menschen im Haus leben, ist unbekannt

"Viele ältere queere Menschen haben in ihrem Leben mehrfach Diskriminierung erfahren", erläutert Filips Goncaruks, Diversitätsbeauftragter in St. Maternus. Er verweist etwa auf den Strafrechtsparagrafen 175, der homosexuelle Handlungen unter Männern bis Ende der 1960er Jahre verbot und erst 1994 endgültig abgeschafft wurde. "Wir bieten hier Betroffenen einen Sicherheitsraum." In Köln mit einem überdurchschnittlichen Anteil queerer Menschen sei das wichtig.

Wie viele der rund 120 Bewohnerinnen und Bewohner in St. Maternus sich als queer verstehen, weiß Goncaruks nicht. Es bleibe auch jeder und jedem selbst überlassen, sich zu seiner sexuellen Orientierung zu äußern oder nicht.

Leitfaden für das Altenheim

Oft würden nur sehr indirekte Signale ausgesendet. Entscheidend sei, allen das Gefühl zu geben, angenommen zu sein und nicht erneut Ausgrenzung erfahren zu müssen.

Dazu dient der Leitfaden, den eine Arbeitsgruppe aus Führungs- und Pflegekräften erarbeitet hat. Sie befragte dazu queere Menschen in den Einrichtungen, was ihnen wichtig ist.

Was Bewohnerinnen und Bewohner erwarten

Ein Ergebnis: Niemand will sich für sein Leben rechtfertigen müssen - auch nicht für die Fotos des Partners oder der Partnerin im Zimmer. "Keine diskriminierenden Sprüche unter den Bewohner*innen", lautet eine weitere Erwartung.

Wenn ein Besuch der Liebsten oder des Liebsten ansteht, soll darüber ganz normal gesprochen werden können, "ohne dabei in Verlegenheit zu kommen". Gewünscht wird auch ein soziales Angebot, das Kontakte inner- und außerhalb der Einrichtung ermöglicht.

Stammtisch ist für alle offen

Dafür ist vor allem das Team der Sozialen Betreuung mit Filips Goncaruks verantwortlich. Es organisiert Besuche in Museen oder in queeren Treffs der Stadt.

Goncaruks lädt zudem jeden Monat zum queeren Stammtisch ein, der aber für alle offen ist. Um miteinander ins Gespräch zu kommen, setzt er meist einen Impuls. Zum Beispiel mit dem Rosa-von-Praunheim-Film "Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation, in der er lebt".

Thema im Pflegealltag

In der eher kleinen Runde lösen sich dann oft die Zungen. Es berichtet der eine, wie er als Teenager zu Hause rausgeschmissen wurde, oder der andere über die heimlichen Liebestreffen im Park. Aber es wird auch über schöne Erlebnisse gesprochen und auf das Leben angestoßen.

Auch im Pflegealltag tauchen ab und zu solche Geschichten auf. Goncaruks berichtet über eine demente Frau, die über ihre frühere Partnerin sprach, ohne dass es ihr selbst bewusst war.

Weg des Altenheims findet nicht nur Zustimmung

Um mit solchen Situationen sensibel umzugehen, werden die Fachkräfte in Schulungen und Workshops darauf vorbereitet. Zudem beschäftigen beide Einrichtungen einen hohen Anteil von Mitarbeitenden, die sich selbst als queer verstehen.

Wie schon 2023 wollen die Pflegekräfte am morgigen Sonntag am Christopher Street Day in Köln teilnehmen und mit einigen Bewohnerinnen und Bewohnern in Rollstühlen oder Rikschas das Konzept ihres Hauses bekannter machen - auch unter jungen Leuten. "Hier pflegt Vielfalt. Deine Ausbildung in der Pflege", lautet die Botschaft auf einem Transparent.

Der Weg, den die Caritas geht, findet indes nicht nur Zustimmung. Die Regenbogenfahne hing zunächst im Eingangsbereich von St. Maternus - und wurde schon zweimal von Unbekannten abgerissen. Nun weht sie vom Glockentürmchen und ist damit nicht mehr so einfach zu erreichen.

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