Ein Wort, ein Bild, ein Gedanke - von Pater Daniel Hörnemann OSB

Sichtweisen (5): SCHLÜSSELGEWALT

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Am 29. Juni feiert die katholische Kirche den Apostel Petrus, der mit dem Attribut des Schlüssels dargestellt wird. Pater Daniel Hörnemann, Benediktiner in Gerleve, schließt in diesem Impuls auf, was es in Bibel und Geschichte mit Schlüsseln auf sich hat.

Alle Macht den Narren? In bestimmten Städten wird ihnen zur Karnevalszeit der Rathausschlüssel übergeben. Für eine beschränkte Frist dürfen sie die Herrschaft übernehmen, damit der Verwaltungssitz nicht ganzjährig zum Tollhaus wird.

Seit dem Mittelalter wurden die Schlüssel von Städten und Festungen nach deren Eroberung an die Sieger zum Zeichen der Kapitulation herausgegeben. Bei Huldigungen herausgestellter Persönlichkeiten werden ihnen symbolische Schlüssel einer Stadt überreicht, ferner bei Einweihungen von Gebäuden.

Schlüsselzeremonie im Tower in London

Welche Bedeutung Schlüsseln beigemessen wird, zeigt ein uraltes Ritual, das auf das 14. Jahrhundert zurückgehen soll. Jeden Abend wird im Londoner Tower eine Schlüsselzeremonie abgehalten, bevor die Tore zur Nacht verschlossen werden. Die diensthabenden Wachsoldaten salutieren vor den Schlüsseln des Königs.

Der Wachtposten fordert die Schlüsselwärter auf, sich auszuweisen: „Halt! Wer kommt dort?“ „Die Schlüssel.“ „Wessen Schlüssel?“ „Die Schlüssel des Königs.“ „Lasst die Schlüssel des Königs passieren. Alles ist in Ordnung.“ „Gott schütze König Charles.“ Und mit der Antwort „Amen“ schlägt die Glocke exakt 22 Uhr, Zeit zum Zapfenstreich. Die Palastschlüssel sind ein Symbol der königlichen Macht und Autorität. Genau wie das Zepter, das hinweist auf Regierungsgewalt und Hoheitsrecht.

Schlüsselgewalt in Antike und Mittelalter

Die sogenannte Schlüsselgewalt geht bis in die Antike zurück. In der römischen Welt hatte üblicherweise die Frau die Aufsicht über den Haushalt. Sie trug die Schlüssel zum Wohnhaus stets bei sich, musste dieser bei einer Scheidung jedoch nach römischem Recht ihrem Mann zurückgeben.

Im Mittelalter waren Frauen dem Mann untergeordnet, sie hatten sich um Haus und Hof sowie die Kindererziehung zu kümmern. Verheiratete Frauen trugen jedoch einen Schlüsselbund als sichtbares Zeichen ihrer Rechte. Außerhalb ihrer Schlüsselgewalt waren sie bei verpflichtenden Rechtsgeschäften allerdings auf die Zustimmung ihres Ehemannes angewiesen.

Schlüsselgewalt im Buch Jesaja

Der Schlüssel ist auch im Ersten Testament ein Zeichen der Verfügungsgewalt. Wer den Schlüssel besitzt, der trägt die Verantwortung; kann Eintritt gewähren oder verwehren.

Im Buch Jesaja heißt es über Eljakim, der zur Zeit des religiösen Reformers und Königs Hiskija seine Autorität erhielt: „Ich lege ihm den Schlüssel des Hauses David auf die Schulter. Wenn er öffnet, kann niemand schließen; wenn er schließt, kann niemand öffnen“ (Jes 22,22).

Verantwortung für das Volk Israel

Dieser Mann in hoher Stellung sollte Verantwortung für das Haus David, für das Volk Israel, übernehmen. Er ersetzt den aus dem Amt gejagten Palastvorsteher Schebna, der nur für sein eigenes Wohl sorgte, nicht für das des Volkes. Eljakim ist hier ein Vorausbild Christi. Christus ist Davids Erbe.

Wenn er, der „Heilige“ im Besitz der Schlüssel, öffnet, kann niemand mehr schließen, wenn er zuschließt, kann niemand mehr öffnen. Das Prophetenwort von Davids Schlüssel wird in Offb 3,7f auf Christus angewendet: „An den Engel der Gemeinde in Philadelphia schreibe: So spricht der Heilige, der Wahrhaftige, der den Schlüssel Davids hat, der öffnet, sodass niemand mehr schließen kann, der schließt, sodass niemand mehr öffnen kann.“

Der Träger des Schlüssels ist Christus

Der Träger von Schlüssel und Zepter ist Christus. Seine Schlüsselgewalt ist unbeschränkt. Sie dient zur Befreiung des Sünders, der im Gefängnis seiner Schuld sitzt.

Das Jesajawort wird von Christus paraphrasiert und auf Petrus gemünzt (Mt 16,19; 18,18): „Ich werde dir die Schlüssel des Himmelreichs geben; was du auf Erden binden wirst, das wird auch im Himmel gebunden sein, und was du auf Erden lösen wirst, das wird auch im Himmel gelöst sein.“

Jesu Auftrag an Petrus und die Kirche

Nach der Auferstehung wurde Christus alle Macht und Vollmacht gegeben. Er übertrug diese Macht, „zu binden und zu lösen“, Petrus und seiner Kirche. Deren Amtsträger sollten sich allerdings immer vor Machtmissbrauch hüten und den Vorwurf Jesu (Lk 11,52) gegen die Gesetzeslehrer vor Augen haben, die anderen den „Schlüssel der Erkenntnis“ weggenommen haben.

Jesus selbst ist der Schlüssel. Er kann uns unendlich viele Möglichkeiten eröffnen, zugleich uns vor Gefahren bewahren und sie ausschließen.

Alle Verschlossenheit aufheben

Nichts bleibt ihm verschlossen, denn er sagt von sich: „Ich habe die Schlüssel zum Tod und zur Unterwelt“ (Offb 1,18). Er hat die Macht über sie. Nur er ist imstande, alle Verschlossenheit aufzuschließen, ein für alle Mal.

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