Christine Freytag ist auch für die oldenburgischen Unterweser-Häfen zuständig

Sieben Jahre Matrosin und Skipperin, nun Bremer Seeleute-Seelsorgerin

  • Erstmals leitet eine evangelische Diakonin die katholische Seemannsmission "Stella Maris" Bremen.
  • Christine Freytag ist auch für die oldenburgischen Häfen an der Unterweser zuständig.
  • Sie kümmert sich unter anderem um den Seemannsclub „Pier One“ in Brake.

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An die Fahrt mit der „Uruguay Express“ kann sie sich noch gut erinnern: von Bremen aus die Weser runter und dann die Elbe hoch nach Hamburg. Christine Freytag hat ihre Besuche auf der Brücke und die Gespräche mit den Seeleuten noch vor Augen. Anfang 20 war sie damals, Praktikantin bei der Deutschen Seemannsmission in Bremen. Und durfte bei dieser Nachtfahrt mal etwas schnuppern vom Leben an Bord.

Eine völlig neue Erfahrung. Denn mit Seefahrt hatte die aus Hilter bei Osnabrück stammende Frau noch nie etwas zu tun gehabt. „Ich bin auf dem Dorf aufgewachsen, mit kirchlicher Jugendarbeit, Kindergottesdiensten, Freizeiten.“ Das hatte sie auch dazu gebracht, evangelische Religionspädagogik zu studieren, um Diakonin zu werden. Und sich vielleicht irgendwann in einer Gemeinde um Kinder, Jugendliche oder Senioren zu kümmern.

Seemannsmission ist anders als Gemeindearbeit

Doch die Begegnung mit der Seemannsmission ließ sie nicht los. Die direkte, unmittelbare Seelsorge zum Beispiel. „Man geht einfach an Bord, sagt ,Hallo‘ und guckt, was die Leute von einem brauchen. Das war etwas anderes als Gemeindearbeit. Wo man sich viel ausdenkt, und dann kommt vielleicht doch keiner.“

Sodass sie für ihr Anerkennungsjahr nach Antwerpen geht, den zweitgrößten Seehafen Europas. Erstmal ist sie dort als „Port Chaplain“, als „Hafen-Kaplan“, unterwegs und steigt auf Frachter aus aller Welt. Um mit den Männern dort zu sprechen, etwa über ihre großen und kleinen Sorgen, um ihnen Tipps und Hilfen zu vermitteln oder sie in den Seemannsclub einzuladen.

Erfahrungen auf dem Ijssel- und im Wattenmeer

Christine Freytag und Franz Wellerding.
Christine Freytag mit ihrem 2022 in den Ruhestand getretenen Vorgänger Franz Wellerding aus Dinklage. | Foto: Christof Haverkamp

Das Leben an Bord reizt sie. So sehr, dass sie selbst kurze Zeit später Matrosin und später Skipperin wird. Für sieben Jahre heuert sie an auf einem der Plattbodenschiffe, die in den Niederlanden zu Hunderten unterwegs sind. Das sind Schiffe, die Gruppen für ein paar Tage oder länger für eine Tour auf dem Ijssel- und Wattenmeer chartern können. Eine gute Vorbereitung für ihre sich daran anschließende nächste Aufgabe: Mehr als ein Jahrzehnt leitet sie den Bordbesuchsdienst der Deutschen Seemannsmission in Bremerhaven.

Bordbesuche zählen auch zur neuen Aufgabe, die die evangelische Seelsorgerin mit Anfang 2023 übernommen hat: Leiterin der katholischen Seemannsmission „Stella Maris“ Bremen. Wo sie auch für den ökumenisch geführten Seemannsclub „Pier One“ im oldenburgischen Brake zuständig ist.

Ablenkung vom Leben an Bord

Sind die Männer an Bord verwundert, wenn sich eine Frau als „Port Chaplain“ vorstellt? Die 48-Jährige schüttelt den Kopf. „Die sind das meisten gewohnt, weil viele Seemannsmissionen mit Freiwilligen arbeiten, unter denen auch viele Frauen sind. Schwieriger zu vermitteln war da schon manchmal, dass ich als ausgebildete Seelsorgerin komme.“

Das größte Bedürfnis der Matrosen – die meisten stammen von den Philippinen – sei aber meist gar nicht das Gespräch, sondern Ablenkung. Nach Wochen auf See mit Arbeit mal wieder ein Landgang, mal wieder andere Gesichter, Musik hören oder die Zeit am Billardtisch in der Mitte des Braker Seemannsclubs verbringen. Oder mal wieder ein Bier trinken. „Alkohol an Bord ist ja heute auf vielen Schiffen verboten.“

Günstige Telefonkarten im Rucksack

Seemannsclub „Pier One“
Der Seemannsclub „Pier One“ im Hafen von Brake. | Foto: Michael Rottmann

Und Kontakte nach Hause. Immer noch hat Christine Freytag günstige Telefonkarten in ihrem Rucksack, wenn sie an Bord eines Schiffes klettert. „Das hat sich in den letzten zehn Jahren deutlich verändert. Jetzt können die Männer sich eine Internet-Verbindung aufbauen und den Abend am Telefon mit ihrer Frau verbringen.“

Info-Material hat sie im Rucksack, auch Kreuze oder Rosenkränze, die sie in Krisensituation anbieten kann. Ein paarmal schon wurde sie nach einem Todesfall an Bord gerufen. Oder die Männer suchen das Gespräch über Probleme der Familie tausende Kilometer entfernt. „Das bekommen sie durch das Internet ja viel mehr mit als früher – und können es dennoch nicht lenken.“

Seemannsmission vermittelt auch Kontakt zur Gewerkschaft

Ab und zu geht es auch um die Situation an Bord. Wenn Christine Freytag spürt, dass Seeleute Hilfe benötigen, ihre Rechte als Arbeitnehmer durchzusetzen. „Ich finde es erschreckend, in welchen Situationen sie landen können.“

Wenn kein Ablöser an Bord kommt, kein Proviant mehr da ist oder die Heuer ausbleibt. Auch dafür hat sie ein offenes Ohr. Zum Beispiel, indem sie ihnen hilft, Kontakt zu ihrer Gewerkschaft, der Internationalen Transportarbeiter Föderation (ITF), aufzunehmen. „Weil es manchmal mit einem Gebet nicht getan ist.“

Stella Maris Bremen
Die Katholische Seemannsmission „Stella Maris“ ist Teil des weltweiten Netzwerkes für katholische Seelsorge mit Seeleuten. In Deutschland gibt es Niederlassungen in Hamburg und Bremen. Die Seemannsmission in Bremen wird getragen vom katholischen Gemeindeverband. Zum Angebot gehört auch der ökumenisch getragene Seemannsclub „Pier One“ im Hafen von Brake.

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