Ulrich Suffner zum Stoppelmarkt in Vechta

Feierei und Frohsinn trotz all der Konflikte? Auf jeden Fall!

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Sind Feiern und Frohsinn bei all den Kriegen, Konflikten und gesellschaftlichen Spannungen auf der Welt überhaupt angesagt? Unbedingt, erklärt Journalist Ulrich Suffner in seinem Gastkommentar.

An Mariä Himmelfahrt feiert Vechta Stoppelmarkt. Für uns Südoldenburger der Höhepunkt des jährlichen Festkalenders. Nicht zufällig nennen wir den Vorabend des Eröffnungstages „Heiligabend“.

Seit einigen Tagen verfasse ich mit Kolleginnen und Kollegen die Stoppelmarktszeitung. Seit 1909 erscheint diese satirische Bierzeitung als „offizielles Organ für Humor und Witz auf dem Stoppelmarkt“. Auf 48 Seiten werden die lokalen Eliten – vom Landrat bis zum Weihbischof – durch den Kakao gezogen. Tapfer und klaglos halten sie den Spaß auf ihre Kosten aus.

Einmal im Jahr schlagen wir Vechtaer nun einmal über die Stränge. Wir lachen, tanzen und singen, wir essen und trinken im unvernünftigen Übermaß, sechs Tage lang, morgens, nachmittags, nachts.

Feste und Brauchtum gerade jetzt wichtig

Aber darf man Unsinn schreiben und fröhlich feiern, wenn die Welt verrückt spielt? Im Osten Europas will die Aggression Russlands nicht enden. Terror und Zerstörung in Israel und Gaza drohen den gesamten Nahen Osten zu entflammen. In Europa bedrohen Rechtsextreme die demokratischen Strukturen. Mit Sorge schauen wir auf die Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg und nicht zuletzt in die USA. Gesellschaftliche Spannungen, wohin man blickt.

Als Journalist, der vom Aufwachen bis zum Schlafengehen von Nachrichten umgeben ist, kann man da schon mal depressiv werden. In diesem Jahr kommt sogar der Kanzler als Redner zum Stoppelmarkt. Worüber will er eigentlich Witze machen, bei dem elenden Zustand seiner Ampel-Regierung?

Dürfen wir wirklich sechs Tage lang ausgelassen sein? Ja, bitte. Das gesellige, friedliche Zusammensein auf den Stoppelfeldern vor der Stadt ist gerade jetzt wichtig. Menschen brauchen unbeschwerte Momente. Sie schaffen Bindungen, die uns auch durch schwere Tage tragen. Feste und Brauchtum sind keine Auslaufmodelle, sondern bleiben gesellschaftliches Fundament.

Freud und Leid zugleich

Der Autor
Ulrich Suffner ist Chefredakteur der Redaktion der OM-Mediengruppe, die im südoldenburgischen Teil des Bistums Münster die „Oldenburgische Volkszeitung“ in Vechta, die „Münsterländische Tageszeitung“ in Cloppenburg und das lokale Nachrichtenportal „OM online“ herausgibt. Der Katholik ist verheiratet und Vater von drei erwachsenen Söhnen.

So ist nun einmal das Leben: die einen himmelhoch jauchzend, die anderen zu Tode betrübt. Im gleichen Moment. Die menschliche Existenz ist ein permanenter Widerspruch. So lässt sich der Vechtaer Stoppelmarkt selbstverständlich auch als Ort der Zügellosigkeit, der Verschwendung, der Sünde beschreiben. Allerdings büßen wir Vechtaer am nächsten Morgen auch klaglos.

Jesu Leidensgeschichte endete am Kreuz. Christen dürfen das Leid der Welt nicht übersehen. Aber der heilige Paulus hat auch gesagt: Wenn wir mit den Weinenden weinen, dürfen wir uns auch mit den Fröhlichen freuen. Ohne Schuldgefühle.

Wenn Sie also in der Gegend sind, lassen Sie uns eine Runde im Kettenflieger drehen. Wenn Sie mögen, gebe ich auch noch ein Bier aus. Danach werden wir uns besser fühlen und neuen Mut verspüren, zumindest einen klitzekleinen Beitrag zu einer besseren Welt zu leisten. Der ist dringend notwendig. Prost, Stoppelmarkt!

In unseren Gastkommentaren schildern die Autor:innen ihre persönliche Meinung zu einem selbst gewählten Thema. Sie sind Teil der Kultur von Meinungsvielfalt in unserem Medium und ein Beitrag zu einer Kirche, deren Anliegen es ist, die Zeichen der Zeit zu erkennen.

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