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Seit dem Missbrauchsskandal ist die Kirche als moralische Instanz angeschlagen, Gehorsam kann sie kaum mehr einfordern. Warum dieser auch gar nicht der Anspruch der christlichen Botschaft sei, sagt der Theologe Daniel Bogner.
Der katholische Moraltheologe Daniel Bogner fordert eine Erneuerung der Sexualmoral und ein grundlegendes Umdenken der katholischen Kirche. "Was jedenfalls nicht mehr geht, ist das simple Gefolgschaftsmodell der Moral: Eine moralische Institution, etwa die Kirche, sagt etwas und die Menschen nehmen es an", sagte der an der Universität Fribourg (Schweiz) lehrende Theologe der Tageszeitung "Die Welt".
Ein Glaube im reinen Gehorsamsmodus entspreche nicht dem, was die christliche Botschaft als Anspruch in sich trage: “Der Mensch ist ein zu Verantwortung und zu Selbstbestimmung fähiges Geschöpf. Wenn man das ernst nimmt, wird die Sache mit der Moral schwieriger.”
"Besserwisserische" Kirche
Bogner sagte, die Kirche sei oft als moralistische Lehrmeisterin aufgetreten und habe den Menschen in besserwisserischer Manier ihre Selbstverantwortung geraubt. Dennoch gebe es in einer immer pluraler werdenden Gesellschaft großen Bedarf an ethischer und moralischer Orientierung.
Glaube könne eine der Quellen dafür sein. “Ich erlebe oft, dass kritisch-reflektierte Menschen, die religiös offen sind, zu Recht von dem enttäuscht werden, was ihnen von den verfassten Religionsgemeinschaften angeboten wird.”
Bogner für Ehesakrament für gleichgeschlechtliche Paare
Mit Blick auf die Sexualmoral sagte der Theologe, dass "die von außen manchmal als monolithisch wahrgenommenen Positionen des Christentums nicht so versteinert sind, wie sie einigen erscheinen". Die Bibel enthalte keine fertige Lehre für das 21. Jahrhundert, sondern sei durch kulturelle Zusammenhänge geprägt. “Es sind Texte, die von Menschen zu allen Zeiten der Christentumsgeschichte immer wieder neu gelesen und ausgelegt worden sind.”
Bogner spricht sich für die Öffnung des Ehesakraments für gleichgeschlechtliche Paare aus. “Es gibt einfach kein biblisch begründbares Verdikt gegen Homosexualität. Sehr wohl aber eine biblische Verpflichtung dazu, füreinander Verantwortung zu übernehmen und füreinander Sorge zu tragen.”
Die Verurteilung von Homosexualität in manchen Passagen der Bibel sei nicht "in der Sache" begründet, sondern habe ihren Grund "in der Sorge um Stabilität und Fortbestand der sozialen Gruppe, also Fragen, die wir heute ganz anders beantworten würden".
