Charlotte Kreuter-Kirchhof über Mitgliedschaft im vatikanischen Wirtschaftsrat

Expertin: Vatikan reich an Kulturschätzen, nicht aber an Geldguthaben

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Das wirtschaftliche und finanzielle Handeln des Vatikans kontrolliert ein unabhängiger Wirtschaftsrat. Diesem gehört die Juristin Charlotte Kreuter-Kirchhof aus Düsseldorf an. Im Gespräch mit Kirche+Leben erläutert sie ihre Aufgaben.

Frau Kreuter-Kirchhof, seit vier Jahren sind Sie Mitglied im Vatikanischen Wirtschaftsrat, einem eigenständigen Organ zur Kontrolle der gesamten Kirchenverwaltung in Rom. Mit welchen Aufgaben sind Sie betraut?

Die Aufgaben des vatikanischen Wirtschaftsrats bestimmt die neue Konstitution des Heiligen Stuhls „Praedicate evangelium“ (Verkündet das Evangelium). Hiernach obliegt dem vatikanischen Wirtschaftsrat die Aufsicht über die Verwaltungs- und Finanzstrukturen des Heiligen Stuhls sowie über die Einrichtungen, die mit dem Heiligen Stuhl eng verbunden sind. Der Wirtschaftsrat entscheidet also nicht über konkrete Ausgaben oder andere Fragen des Tagesgeschäftes, sondern wird vor allem mit strukturellen Fragen befasst und hat eine Aufsichtsfunktion.

Noch immer scheint es etwas Geheimnisvolles zu sein, wenn es um die finanziellen Aktivitäten der Römischen Kurie geht. Wie sorgt der Vatikanische Wirtschaftsrat für Transparenz?

Papst Franziskus hat die Finanz- und Verwaltungsstrukturen des Heiligen Stuhls wesentlich reformiert. Kernziele dieser Reform sind eine größere Transparenz und Rechenschaftspflicht der Verantwortlichen. Hierzu trägt auch der vatikanische Wirtschaftsrat bei, indem er die Finanz- und Verwaltungsstrukturen des Heiligen Stuhls überwacht und insbesondere den jährlichen Haushaltsplan und den Haushaltsabschluss des Heiligen Stuhls genehmigt und dem Papst vorlegt.

Im Gremium wirken Geistliche und Laien zusammen. Wie lässt sich das Zusammenwirken beschreiben?

Mitglieder des vatikanischen Wirtschaftsrats sind acht Kardinäle und sieben Gläubige; darunter sind gegenwärtig sechs Frauen. Es entspricht dem ausdrücklichen Wunsch des Papstes, dass Frauen in der katholischen Kirche mehr Führungsverantwortung übernehmen sollen. Im vatikanischen Wirtschaftsrat beraten alle Mitglieder – Kardinäle und Gläubige – gemeinsam und entscheiden gemeinsam. Wir tauschen uns intensiv mit den Vertreterinnen und Vertretern der Institutionen und Einrichtungen des Heiligen Stuhls aus, beraten gemeinsam und treffen dann in der Praxis unsere Entscheidungen regelmäßig im Konsens. Im vatikanischen Wirtschaftsrat erlebe ich ein sehr gutes Miteinander aller Mitglieder im Dienst für die Kirche.

Über die Finanzen und das Wirtschaften des Vatikans kursieren immer wieder Gerüchte. Was antworten Sie, wenn Sie nach dem „reichen Vatikan“ gefragt werden?

Materiell reich sind die Kirche und der Vatikan vor allem an kulturellen Schätzen, insbesondere an wunderschönen Kirchengebäuden und Kunstwerken, nicht aber an Geldguthaben. Für den Heiligen Stuhl ist die gegenwärtige Haushaltslage herausfordernd. So sind zum Beispiel während der COVID-19-Pandemie wichtige Einkünfte des Vatikans weggebrochen, als die Vatikanischen Museen geschlossen wurden. Der vatikanische Wirtschaftsrat will im Lichte der Soziallehre der Kirche und in Übereinstimmung mit internationalen Standards zu einer nachhaltigen Finanzverwaltung im Heiligen Stuhl beitragen. Wichtige Weichen sind gestellt, aber es bleibt noch einiges zu tun.

Gastrednerin im Franz-Hitze-Haus
Professorin Charlotte Kreuter-Kirchhof ist Inhaberin des Lehrstuhls für Deutsches und Ausländisches Öffentliches Recht, Völkerrecht und Europarecht an der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf. Seit 2020 ist sie Mitglied im von Papst Franziskus 2014 errichteten vatikanischen Wirtschaftsrat und dessen Vize-Koordinatorin. Der Rat hat die Aufgabe, das wirtschaftliche Handeln des Vatikans zu überwachen. Er beaufsichtigt die administrativen und finanziellen Strukturen und Aktivitäten der Kurienbehörden sowie der mit dem Heiligen Stuhl verbundenen Institutionen und des Vatikanstaates. Charlotte Kreuter-Kirchhof hält den Gastvortrag beim diesjährigen Juristinnen- und Juristen-Treffen des Bistums Münster am 19. September 2024 in der Akademie Franz-Hitze-Haus in Münster.

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