Jüngste Bestattungsmeisterin Deutschlands über die Trauer der Zukunft

Warum braucht es einen digitalen Friedhof, Emily Maichle?

Anzeige

Emily Maichle ist die jüngste Bestattungsmeisterin Deutschlands. Sie setzt sich für neue Formen der Trauer und des Abschiednehmens ein, stellt Gewohntes in Frage. Im Kirche+Leben-Gespräch regt sie digitale Friedhöfe an.

Wie können wir trauern nach dem Tod eines Angehörigen? Damit setzt sich die 24-jährige Emily Maichle auseinander. Die Bestattungsmeisterin fordert neue Formen der Trauer, des Abschiednehmens. Und sie stellt vieles an der üblichen Art der Trauer in Frage.

Aber von vorne: Emily Maichle ist im Familienbetrieb ihrer Eltern in Geislingen nahe Stuttgart im Grunde für alles zuständig. Sie holt Leichen ab, richtet sie für den Abschied her und begleitet Angehörige bei der Vorbereitung der Trauerfeier. Die Meisterprüfung hatte sie schon mit 21 Jahren in der Tasche. Seither darf sie sich „jüngste Bestattungsmeisterin Deutschlands“ nennen.

Bestatter berichten auf TikTok von ihrer Arbeit

In ihrem Freundeskreis stößt ihre Arbeit auf großes Interesse, berichtet Emily Maichle im Gespräch mit Kirche+Leben. „Generell sehen wir, dass junge Menschen ein viel größeres Interesse daran haben, über den Tod zu sprechen.“

In den älteren Generationen werde das eher tabuisiert. Maichle kann sich das so erklären: Ältere verknüpften den Tod mit traumatischen Erlebnissen ihrer Vorfahren aus dem Zweiten Weltkrieg. Jüngere Generationen hätten zu dem Krieg weniger Verbindungen.

Dieser Trend lässt sich auch in den Sozialen Medien beobachten: Bestatter posten plötzlich Videos über Ihre Arbeit auf TikTok und Instagram und erreichen viele interessierte Jugendliche. Maichle kann das nur unterstützen: „Es ist super, wenn mehr Aufklärungsarbeit geleistet wird. Wir müssen offener über den Tod, die Trauer sprechen.“

Wie sieht die Zukunft des Friedhofs aus?

Menschen wie Maichle geht es aber um mehr: Sie stellen das bisherige System Friedhof in Frage. Am heutigen Freitag sprechen junge Vertreter aus Kommunen und Kirchen auf einer Konferenz in Nürnberg während der Fachmesse „Stone+tec“ über die Zukunft des Friedhofs.

Es spricht unter anderem die Präses der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Anna-Nicole Heinrich. Wie man mit Friedhöfen und mit dem Abschiednehmen umgehe, beschäftige die evangelische Kirche, wird sie in einer Pressemitteilung der Veranstalter zitiert.

Von katholischer Seite wird der Theologe und Diözesanreferent Peter Lendrates aus dem Bistum Rottenburg-Stuttgart teilnehmen. Er sagt: „Wir sollten Friedhöfe aus einer neuen Perspektive betrachten. Aus Sicht der Menschen, die diese auch nutzen. Vor allem sollten wir auf die Bedürfnisse der Trauernden eingehen, um sie in ihrem eigenen Trauerprozess zu begleiten.“

Ein Bier am Grab?

Die Perspektive der Trauenden hebt auch Bestattungsmeisterin Maichle hervor. Sie fragt, warum man nicht individueller auf Bedürfnisse der Trauernden eingehe. „Wenn ein Verstorbener gern Golf gespielt hat, warum binden wir den Golfschläger nicht mehr in die Trauerfeier ein? Wenn jemand gerne ein Bier mit dem Verstorbenen getrunken hat, warum kann er dann nicht auch am Grab ein Bier trinken?“ 

Maichle möchte auch digitale Friedhöfe schaffen. „Wenn Angehörige weit entfernt von der Grabstätte des Verstorbenen wohnen, warum kann man dann nicht auch einfach virtuell in einer App oder einer Website einen Blumenstrauß niederlegen und innehalten?“

Lebens- statt Trauerfeier

Emily Maichle ist überzeugt, dass manche Menschen sich bei dieser Art der Trauerbewältigung wohler fühlten. „Es geht hier auch darum Gewohnheiten aufzubrechen. Wenn das für manche die bequemere Art ist zu trauern, dann ist es doch auch völlig in Ordnung, dass das bequem stattfindet.“

Maichle möchte mehr über die Art der Beisetzung von Angehörigen ins Gespräch kommen. Oft nennt sie die Trauerfeier nicht „Trauerfeier“, sondern „Lebensfeier“. Sie ermuntert Menschen, mehr über das Sterben zu sprechen: „Nur weil man über den Tod spricht, ist noch lange keiner gestorben.“

Anzeige