Schwester Katharina Kluitmann: Sehnsucht nach dem guten Leben

Auslegung der Lesungen vom 20. Sonntag im Jahreskreis / Lesejahr B

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Wie können Christen gut und dem Glauben nach rechtschaffend leben? Welche Rolle spielen Genuss, Frohsinn und Gesang? Diesen Fragen widmet sich Schwester Katharina Kluitmann und legt die Lesungen dieses Sonntags aus.

Heute lade ich Sie zu einem Selbstversuch ein. Ich nenne eine Redewendung und ermutige Sie zu schauen, welche Bilder Ihnen ganz spontan kommen. Sind Sie bereit? Also, die Redewendung: „Leben wie Gott in Frankreich“.

Ich weiß natürlich nicht, woran Sie gedacht haben. An Nichtstun? An Luxus in einer Villa? Ich habe an Essen gedacht. An ein Mahl an schön gedecktem Tisch, raffinierte Speisen, mir bisher unbekannte Geschmacksrichtungen. Ein guter Tropfen dazu. Für mich gern ein trockener Wein. Liebe geht durch den Magen, sagen wir. Da ist was dran. Ohne Nahrung kein Leben. Und was ersehnen wir mehr als ein gutes Leben?

Weisheit als wichtige Zutat

Die Lesungen vom 20. Sonntag im Jahreskreis / Lesejahr B zum Hören finden Sie hier.

Die Lesungen dieses Sonntags sind wie ein dreigängiges Mahl. Drei Gänge, drei Lesungen, drei Hinweise für ein gutes Leben. Drei Lesungen, die nicht einfach alle das Gleiche sagen. Wer wollte denn zur Hauptspeise das Gleiche wie die Vorspeise? Drei Lesungen, die sich ergänzen, wie guter Wein den Fisch. Alle Lesungen sprechen tatsächlich vom Essen und Trinken.

In der ersten Lesung aus dem Buch der Sprichwörter bekommen wir als wichtigste Zutat für ein gutes Leben die Weisheit. Sie selbst lädt uns ein. Zum Essen. Minutiös wird das Mahl vorbereitet. Es geht los mit dem Haus, in dem gegessen wird. Wir haben fast seine Säulen vor Augen. Der Tisch wird gedeckt. Mägde laden ein. Von Fleisch und Wein ist die Rede. Und es gibt – Weisheit. Lateinisch: sapientia.

Die Frage nach dem klugen Maß

Von der Wortbedeutung her kommt es von „schmecken“. Geschmack finden am Leben. Weisheit ist so viel mehr als Klugheit, Schläue oder gar Information. Weisheit ist nicht nur im Kopf. Sie ist herzenswarm. Sie ist lebenssatt. Uns angeboten, als erster Gang des Mahles.

Die zweite Lesung nimmt das Motiv von Torheit und Klugheit auf. Mit anderen Worten, aber in der gleichen Spur. Dabei wird deutlich, dass die kluge, weise Seite „der Wille des Herrn“ ist. Die zeitkritische Note („die Tage sind böse“) verbindet sich mit der Warnung vor dem Wein, der zügellos macht – also weises Verhalten torpediert. Wohl eine Frage des klugen Maßes... Immerhin verdammt sie nicht die Lust am Prickelnden, am Angenehmen. Sie will uns nicht nur nüchtern, sondern vom Geist erfüllt. Spirit statt Spirituosen. Dann kommt Stimmung auf. Es wird gesungen und gejubelt.

Der Glaube ist auch Freude und Gesang

Christenmenschen müssen keine Trauerklöße sein. Sie dürfen genießen. Das Leben. Das Gute. Und ihren Gott. Die Richtung der Freude ist klar. Sie geht auf Gott. Dankbar für die Geschenke des Lebens dürfen wir jubeln. Was wäre ein Fest ohne Musik. Mir gefällt, wie wir im ersten Gang Weisheit bekommen und im zweiten Lobpreis. 

Unser Glaube ist nicht nur Katechismus oder Theologie. Er ist auch Freude und Gesang, Lob und Jubel. Beides. Nicht eins gegen das andere auszuspielen. Weisheit allein kann sehr nüchtern werden. Lobpreis allein kann besoffen machen. Im schlimmsten Fall ist er manipulativ. Aber eben nur im schlimmsten. Es braucht beides, Weisheit und Lobpreis. Unsere Tradition nennt das „die nüchterne Trunkenheit des Geistes“. Danke. So schmeckt es mir! So gleicht eins das andere aus. Mundet es auch Ihnen? 

Leben in Hingabe und Liebe

Wir kommen zum dritten Gang, dem Evangelium. Ein Text, den wir zu oft gehört haben, um noch zu merken, wie verrückt er ist, wie anstößig. Es geht um Essen und Trinken. Aber Jesu Fleisch essen und sein Blut trinken? Gedanken an Kannibalen sind nicht respektlos. Sie sind das, was jeder denkt, der diesen Text liest und unsere Tradition nicht kennt.

Ich spare mir heute einmal die eucharistische Deutung. Wenn wir bei unserem Bild vom Mahl bleiben, haben wir die Weisheit zur Vorspeise, den Geist als zweiten Gang. Nun wird uns extrem eindrücklich gesagt, dass es Jesus selbst ist, der uns das gute Leben ermöglicht. Nicht Saus und Braus. Leben in Hingabe und Liebe. Weise, geisterfüllt und mit Jesus für die Menschen. 

Das ewige Leben

Das ist nicht das Dessert. Hier ist nicht Schluss. Hier geht es erst richtig los. Das ist Leben, das nach Ewigkeit schmeckt. Ewiges Leben ist Leben mit Mehrwert, mit einer Dimension hinter dem Vordergründigen, nicht irgendwann nach dem Tod, sondern jetzt. 

Wir haben es schon, das ewige Leben. Wir müssen es nur annehmen. Wir dürfen tatsächlich leben wie Gott. Wenn auch nicht wie Gott in Frankreich, sondern hier und jetzt, mit aufmerksamer Weisheit und jubelndem Geist und ganz eins mit der Hingabe Jesu. Wohl bekomm’s!

Sämtliche Texte der Lesungen vom 20. Sonntag im Jahreskreis / Lesejahr B finden Sie hier.

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