Stephan Thiel: Christen sollen „Menschen guten Willens“ fördern

Auslegung der Lesungen vom 26. Sonntag im Jahreskreis / Lesejahr B

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Christen in Deutschland leben in einer kleiner werdenden Gemeinschaft, die die Wahl hat. Sie könnten sich zurückziehen oder auf andere „Menschen guten Willens“ zugehen. Was hätte Jesus getan, fragt Stephan Thiel und legt die Lesungen dieses Sonntags aus.

An den Texten dieses Sonntags sieht man gut, wie aktuell und brisant Bibeltexte noch heute für uns sein können. Der Platz für eine Auslegung der gesamten heutigen Texte ist zu eng bemessen. Ich beziehe mich deshalb auf die Lesung aus dem Buch Numeri und den ersten Teil des Evangeliums.

Ich möchte diese Textauslegung mit einem Witz beginnen: Spielt ein Kind im Matsch. Sagt eine Mutter zur anderen Mutter: „Darf dat dat?“ Sagt die andere: „Dat darf dat.“ Sagt die erste kopfschüttelnd: „Dat dat dat darf!“
Ähnlich wie die kritische, kopfschüttelnde Mutter kommen mir Josua, der treue Diener Moses in der Lesung und die Jünger im Evangelium vor.

Wenn „Abweichler“ die schöne Ordnung stören

Die Lesungen vom 26. Sonntag im Jahreskreis / Lesejahr B zum Hören finden Sie hier.

Menschen, die von der Norm abweichen, die etwas Unerwartetes, ja Unerwünschtes tun, stören die schöne Ordnung, in der man sich bequem eingerichtet hat. Im Buch Numeri haben die „Abweichler“ einen Namen: Der eine heißt Eldad, das ist hebräisch und bedeutet: „Von Gott geliebt.“ Der andere heißt Medad, das heißt: „Liebe.“ Hier ist in den Namen schon gut beschrieben, wie Gott und Mose zu diesen „Abweichlern“ stehen. Mose sagt: „Wenn nur das ganze Volk des Herrn zu Propheten würde, wenn nur der Herr seinen Geist auf sie alle legte!“

Andererseits kann ich den Josua aber gut verstehen. Ein ganzes Volk durch eine lebensfeindliche Wüste zu führen, das ist sicher nicht leicht. Heute würden wir sagen, ein hoher, logistischer Aufwand ist dafür erforderlich. Da muss ein Rädchen ins andere greifen und nichts darf die Ordnung stören, sonst kommt es schnell zur Katastrophe. Da darf niemand diese überlebenswichtige Ordnung gefährden.

Jesus zieht den Kreis viel größer als die Jünger

Auch die Jünger im Evangelium kann man gut verstehen. Sie sind ein enger Kreis, der treu zu Jesus hält. Von außen kommt dieser kleinen Gemeinde viel Feindschaft entgegen. Eine Möglichkeit, sich da zu behaupten, ist, sich gegen alles streng abzugrenzen, was diese geordneten Verhältnisse bedroht. In den alten Western baute man dann eine Wagenburg, in die niemand eindringen konnte und die man zu allen Seiten gut verteidigen konnte.

Im Evangelium bleibt der, der im Namen Jesu Dämonen austreibt und nicht zu den Jüngern zu gehört, namenlos. Jesus sagt: „Hindert ihn nicht.“ Jesus zieht den Kreis sehr viel größer als die Jünger. „Denn wer nicht gegen uns ist, der ist für uns.“ Jesus sagt sogar: „Wer euch auch nur einen Becher Wasser zu trinken gibt, weil ihr zu Christus gehört – Amen, ich sage euch: Er wird gewiss nicht um seinen Lohn kommen.“ Das bezieht er wohl auch auf den namenlosen Fremden, der in seinem Namen Gutes tut. Ich kann mir vorstellen, dass dieser Fremde namenlos belassen wird, um damit anzudeuten, dass es Viele wie ihn gibt.

Sollen wir uns als Kirche zurückziehen?

Was kann das alles für uns heute bedeuten? Papst Johannes XXIII. hat sich, wie seine Nachfolger ebenfalls, 1963 in der Enzyklika „Pacem in Terris“ ausdrücklich auch an „Menschen guten Willens“ gewandt. Das sind Menschen, die anderen christlichen Konfessionen angehören. Menschen, die vielleicht aus ganz anderen Motiven heraus Gutes tun. 

Wir leben hier in unserer Gegenwart in Deutschland, in einer stark schrumpfenden Kirche, die immer mehr an gesellschaftlicher Relevanz verliert. Wir werden immer mehr, zu einer kleinen, Jesus treu ergebenen Gemeinschaft, wie es die Jünger waren. Eine Möglichkeit, darauf zu reagieren, ist, dass man sich zurückzieht, abgrenzt und als kleine, eingeschworene Gemeinde den wahren Glauben miteinander teilt, sich in einer Wagenburg verschanzt.

Mit „Menschen guten Willens“ unterwegs

Ich verstehe das, was Jesus uns im Evangelium sagt, aber so: Wir dürfen uns selbst nicht zu wichtig nehmen und sollen mit „Menschen guten Willens“ unseren Glauben leben, ohne ihnen unseren Glauben aufzwingen zu wollen. „Denn wer nicht gegen uns ist, der ist für uns.“ 

Ich sehe in unserer Gemeinde und in unseren Nachbargemeinden, dass einiges von dem, was kirchlich organisierte Caritas früher geleistet hat, inzwischen außerhalb der Kirche weitergeführt wird. Ein gutes Beispiel bei uns in Havixbeck ist dafür zum Beispiel die Tafel oder die Bürgerstiftung Havixbeck. Freuen wir uns als Christen doch, dass es so viele „Menschen guten Willens“ gibt, die unseren Weg mitgehen und bringen wir uns da ebenfalls mit Freude ein.

Menschen fördern und bestärken

Denn ich finde, wenn andere das Richtige wollen, dürfen wir sie nach Jesu Worten nicht daran hindern, sondern müssen sie fördern und bestärken, „dann darf dat dat.“

Sämtliche Texte der Lesungen vom 26. Sonntag im Jahreskreis / Lesejahr B finden Sie hier.

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