Pfarrer em. Hermann Kappenstiel fragt: Braucht Gott Menschenopfer?

Auslegung der Lesungen vom 24. Sonntag im Jahreskreis / Lesejahr B

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Jesus sagt seinen Jüngern, was ihn erwartet: Verurteilung und Hinrichtung. Das will Petrus abwenden. Was, wenn Jesus diesem Wunsch gefolgt wäre? Und wie schafft er es, dennoch seinen Leidensweg zu gehen? Schriftauslegung von Pfarrer em. Hermann Kappenstiel.

Petrus ist der Sprecher der Apostel. Gefragt „Ihr aber, für wen haltet ihr mich?“, antwortet er: „Du bist der Christus.“ Matthäus ergänzt eine Seligpreisung: „Selig bist du, Simon; nicht Fleisch und Blut haben dir das offenbart, sondern mein Vater im Himmel.“ 

Das klingt gut, aber sofort kippt das Ganze. Als Jesus den Jüngern erklärt, was auf ihn zukommt – Leiden, Verurteilung, Hinrichtung –, ist es wieder Petrus, der das Wort ergreift und Jesus zurechtweist. Er stellt sich Jesus in den Weg – und bekommt zu hören: „Stell dich hinter mich, Satan.“

Die verständliche Reaktion des Petrus

Krasser geht es nicht. Gerade noch von Gottes Offenbarung erfüllt, jetzt der Widersacher Gottes.

Aber ist die Reaktion des Petrus nicht verständlich? Das müssen wir verhindern! Der Messias am Kreuz? Für einen gläubigen Juden ein Widerspruch in sich. Im Buch Deuteronomium steht: „Wer am Holz hängt, ist ein von Gott Verfluchter.“ Jesus aber betont: Das muss geschehen, weil Gott es will. 

Will Gott, dass sein Sohn leidet?

Die Lesungen vom 24. Sonntag im Jahreskreis / Lesejahr B zum Hören finden Sie hier.

Moment mal! Will Gott, dass sein geliebter Sohn einen furchtbaren Tod stirbt? Will Gott, dass Jesus leidet? Will Gott seinen Sohn opfern? Wofür? Für uns Menschen?

Braucht Gott ein Menschenopfer, um unsere Sünden zu tilgen? Das habe ich als Kind gehört. Was aber wäre das für ein Gott, der Menschenopfer fordert?

Was, wenn Jesus auf Petrus gehört hätte?

Dagegen sträubt sich alles in mir. Ich bin versucht, mich mit Petrus zu solidarisieren. Aber wenn ich es tue, bekomme ich zu hören: „Du stehst mir im Weg. Nachfolge geht anders, du Satan.“ Wie komme ich aus diesem Dilemma heraus? Ich versuche es mit einem Umweg.

Ich stelle mir vor, Jesus hätte auf Petrus gehört. Dann also nicht nach Jerusalem, nicht sehenden Auges in den Tod rennen. Aber wohin dann? Nach Nazareth? Dort wollte man ihn steinigen. Nach Kafarnaum? Auch dort traten schon seine Gegner auf den Plan. 

Jesus hätte seinen Auftrag verraten

Noch wichtiger die Frage: Was sollte er tun, wohin auch immer er ginge? Es geht doch um die Botschaft, die er in Gottes Namen verkündet!

Sollte er aufhören zu predigen? Sollte er aufhören, sich kompromisslos auf die Seite der Schwachen zu stellen? Der Kranken, der Aussätzigen, der Zöllner und Sünder? 

Würde Jesus dem Rat des Petrus gefolgt sein, wäre er seinem Auftrag, der von Gott kommt, untreu geworden. Er hätte Gott verraten. Und er hätte sich selbst verraten. Er, der gekommen ist, um „den Willen dessen zu tun, der mich gesandt hat“ (Joh 6,38).

Jesus indentifiziert sich mit dem Willen Gottes

Gott will Leben in Fülle für alle Menschen; dieser Gott, der sich im brennenden Dornbusch offenbart als der, der die Klage seines Volkes hört und das Elend seines Volkes sieht, und der herabgestiegen ist in die Dunkelheit unserer Welt. Da zeigt sich, was Gott will.

Jesus identifiziert sich mit dem Willen Gottes: "Nicht mein, sondern dein Wille geschehe." Er verkörpert den Willen Gottes, in Jesus bekommt die Botschaft Gottes Hand und Fuß.  Weil Jesus will, was Gott will, muss er nach Jerusalem gehen – auch wenn es ihn das Leben kostet.

Warum Jesus so leben konnte

Wie kann ein Mensch so leben? Jesus ist ein Mensch; das gerät manchmal in Vergessenheit. Woher hatte der Mensch Jesus die Kraft zu solcher Konsequenz? Ich glaube: Jesus konnte so leben, weil er sich ganz und gar von Gott gehalten wusste.

Das Schicksal Jesu, der nach menschlichen Maßstäben gescheitert ist, ist in der Sicht der christlichen Tradition angedeutet in den Gottesknechtsliedern des Propheten Jesaja, so in der ersten Lesung. Das Bekenntnis des leidenden Gottesknechtes ist Ausdruck der Hoffnung auf einen Gott, der am Ende den Opfern ihre Würde zurückgibt.

Ganz von Gott gehalten

Der Glaube an diesen Gott lässt ihn sagen: „Gott, der Herr, wird mir helfen; darum werde ich nicht in Schande enden. … Er, der mich freispricht, ist nahe. … Siehe, Gott, der Herr, wird mir helfen.“ Der Theologe Hans Küng hat auf die Frage, wer Jesus ist, wohl so geantwortet: Jesus weiß sich ganz und gar von Gott gehalten und ist darum total engagiert für die Menschen. 

Auf die Frage, was sich aus all dem für unser Leben ergibt, könnte man mit dem Verfasser des Jakobusbriefes aus der zweiten Lesung sagen: „Was nützt es, wenn einer sagt, er habe Glauben, aber es fehlen die Werke? So ist auch der Glaube für sich allein tot, wenn er nicht Werke vorzuweisen hat.“

Moralische Appelle helfen nicht. Mir helfen Menschen, die in der Nachfolge Jesu ihr Kreuz tragen – und von sich sagen, dass sie wirklich am Leben sind. Solche Menschen sind mir begegnet und begegnen mir heute. Ihnen und Gott sei Dank! 

Sämtliche Texte der Lesungen vom 24. Sonntag im Jahreskreis / Lesejahr B finden Sie hier.

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