Schwester Katharina Kluitmann: Gute Gründe im Glauben

Auslegung der Lesungen vom 21. Sonntag im Jahreskreis / Lesejahr B

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Die Frage nach bleiben oder gehen begegnet uns ständig in unterschiedlichen Kontexten. Diese Fragen sind uralt, zeigt Schwester Katharina Kluitmann auf und legt die Lesungen dieses Sonntags aus.

Bleiben oder gehen? Gehen oder bleiben? In diesem Job? In diesem Team? Bleibe ich in dieser Beziehung? Gehe ich sinnvollerweise? Aus meinem Land? Manche dieser Fragen sind sehr groß. Fragen Sie Menschen mit Migrationshintergrund. Die sind nie „einfach mal so“ gegangen. Das Ende einer Ehe, keine kleine Frage. Bleiben oder gehen – schwierige existenzielle Fragen. Auch im Glauben. Bei Gott bleiben? In der Kirche?

Fragen, die viele umtreiben. Lösungen werden oft nicht „einfach mal so“ getroffen, sondern in langem Ringen. Denn – das ist das Neue! – nicht nur Menschen, die schon lange wenig mit Religion anfangen können, erleben das gerade: Da fragt sich die Pastoralreferentin, ob sie unter diesen Umständen bleiben kann. Da denkt der Religionslehrer nach, ob er nicht ehrlicherweise gehen müsste. Ob Ehren- oder Hauptamt: Viele treten nach langem intensivem Engagement aus der Kirche aus, oft, obwohl sie gläubig sind.

Uralte Fragen

Die Lesungen vom 21. Sonntag im Jahreskreis / Lesejahr B zum Hören finden Sie hier.

Die erste Lesung und das Evangelium zeigen, dass solche Fragen uralt sind. Die beiden Texte lassen sich parallel setzen: Da ist die Frage, ob man bei diesem Gott bleiben möchte. Sie wird gestellt, nicht als selbstverständlich abgetan. In der Lesung stellt Josua, Moses Nachfolger, sie dem Volk Israel. Im Evangelium ist es Jesus selbst. Josua formuliert den Kern: „dem Herrn dienen“. Jesus bezieht die Frage auf die Beziehung zu ihm selbst. Er fragt nicht alle, sondern seine Jünger. Mit einer Formulierung, die das Weggehen naheliegender erscheinen lässt als das Bleiben. Mitten in einer Absetzungsbewegung vieler im Volk. Die Schwierigkeiten der Menschen beschwichtigt er nicht, setzt gar noch einen drauf.

In beiden Texten kommt es am Ende zum Bleiben. Israel nennt als Gründe Gottes Geschenke an sein Volk im Lauf der Geschichte: Freiheit, Wunder, Schutz, Heimat. Sie sagen: „Er ist unser Gott“. Petrus klingt erst verhaltener, als er für die Jünger spricht. Frei übersetzt: „Irgendwie haben wir keine Alternative“. Doch dann hat auch er Gründe: Jesu „Worte des ewigen Lebens“; der Glaube an ihn als den „Heiligen Gottes“. Am Ende geht es um Beziehung. Die Beziehung zu Gott, die unüberbietbar in Jesus gegenwärtig wird.

Massenauszug

Hilft Ihnen etwas davon in Ihrem Ringen um Gehen oder Bleiben, beim Glauben, in der Kirche, oder …? Ist es die Freiheit, auch gehen zu können? Oder die Situation des Massenauszugs, die Jesus erlebte? Gute Gründe, wenn Sie sich an Erfahrungen Ihres Glaubens erinnere? Alternativlosigkeit? Ein inneres Wissen: Du Gott, mein Ein und Alles? Vielleicht mögen Sie sich ein wenig Zeit nehmen für diese Fragen.

Dann noch die zweite Lesung. Viele Gemeinden werden sie verständlicherweise geflissentlich auslassen. Zu ärgerlich der Satz: „Ihr Frauen, ordnet euch Euren Männern unter wie dem Herrn, denn der Mann ist das Haupt der Frau“. Nein danke! Doch halt: Vielleicht hat dieser Text mehr mit unserer Frage zu tun als gedacht. Denn es geht nur am Rand um das Verhältnis von Mann und Frau. Die Ehe wird als Bild für etwas Anderes genommen. Klar, ich hätte auch gern, Paulus wäre etwas kritischer mit den Selbstverständlichkeiten seiner Gesellschaft umgegangen. Aber: Ich selbst sehe oft im Kontakt mit anderen Kulturen, wie viel auch ich unreflektiert für „normal“ halte. Also: Schauen wir probehalber gnädig auf den zu kurz springenden Paulus. Geben wir zu, dass in der Kirche dieser Satz unverantwortlich gegen Frauen benutzt wurde und wird. Dann könnten wir etwas entdecken, das entlastend sein kann in unserer Frage nach Gehen oder Bleiben. Paulus nutzt die Ehe, um das Verhältnis von Christus und seiner Kirche auszudrücken.

Allein glauben ist schwierig

Gegenseitigkeit ist das Stichwort. In Liebe und Hingabe und in Unterordnung. Gegenseitigkeit in Unterordnung. Einer für die andere, eine für den anderen. Kein Oben-und-Unten. Kreislauf der Liebe, der Hingabe. Die Kirche gibt es wegen der Jesus-Beziehung. Nicht umgekehrt! Die Kirche ist nie der einzige Weg zur Gottesbeziehung. 

Aber allein glauben ist erwiesenermaßen schwierig. Wenn Kirche einfach „zusammen an Jesus glauben“ ist, vor allen Strukturen und Verirrungen, dann stellt sich mir die Frage nach Gehen oder Bleiben neu. Keine konkrete Kirche war je, wird je perfekt sein. Es geht um die Beziehung zwischen Jesus und uns. Gehen oder bleiben? Bleiben oder gehen? Ich habe mich entschieden, um Jesu willen in dieser Kirche zu bleiben. Und Sie?

Sämtliche Texte der Lesungen vom 21. Sonntag im Jahreskreis / Lesejahr B finden Sie hier.

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