Pater Christian Brüning: Auch ein Prophet kann scheitern

Auslegung der Lesungen vom 19. Sonntag im Jahreskreis / Lesejahr B

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Zwischen nahezu ungehemmter Selbstüberschätzung und dem Verharren in tiefer Depression – so verläuft das Leben des Propheten Elija. Und trotz aller Widrigkeiten bleibt Gott an seiner Seite, erläutert Pater Christian Brüning OSB und legt die Lesungen dieses Sonntags aus.

Der Prophet Elija ist eine der schillerndsten Figuren des Alten Testaments. Mal wird er leidenschaftlich und feurig geschildert, als Eiferer für den einen und einzigen Gott Israels. Dann sieht man ihn als ängstlichen, in die Wüste fliehenden Propheten, der in schwerer Depression nur noch sterben will.

In dem einen Moment triumphiert er über 450 Baalspropheten, im nächsten eilt er an die 150 Kilometer weit, weg von seiner eigentlichen Wirkstätte im Nordstaat Israels, nur um sich unter einen Ginsterstrauch zu hocken und sich dort den Tod zu wünschen.

Der heilige Rest Israels

Die Lesungen vom 19. Sonntag im Jahreskreis / Lesejahr B zum Hören finden Sie hier.

In allen Facetten der Elijaerzählungen wird der Prophet stark überzeichnet. Es geht ihnen nicht um diesen als historische Gestalt. Vielmehr soll an ihm etwas deutlich gemacht werden.

In unserer Lesung repräsentiert er den heiligen Rest Israels. Elija fühlt sich als letzter Aufrechter in der Sache Gottes, er verrennt sich förmlich in diese Verblendung. Die Erzählung will zeigen, wie anmaßend, trügerisch und gefährlich der Gedanke ist, man sei der einzig verbliebene Rechtgläubige.

Elija leidet an Selbstüberschätzung

Dieser Gedanke geht mit einer gehörigen Selbstüberschätzung einher, die verbunden ist mit einer Geringschätzung Gottes und seiner Möglichkeiten und der Geringschätzung der Mitstreiter im Glauben an Gott. Diese Verblendung führt zwangsläufig in Vereinsamung, Verzweiflung und in restlose Ohnmacht.

Obwohl Elija darum wusste, dass der Palastvorsteher Obadja am Hof des Nordstaates Israel 100 andere Propheten beiseite genommen und „zu je 50 in einer Höhle verborgen und mit Brot und Wasser versorgt hatte“ (1 Kön 18,4), wähnt sich Elija als letzter der Gerechten. Hinzu kommt sein Hochmut, dass er hatte besser sein wollen als seine Väter (vgl. 1 Kön 19,4).

Gott will Elija wieder aufmuntern

Schrittweise versucht Gott, Elija wieder aufzumuntern. Zuerst sendet er den Engel, der Elija Brot und Wasser spendet. Doch dieser steckt so im Elend, dass er das Wunder gar nicht wahrnimmt. „Er aß und trank und legte sich wieder hin.“ Beim zweiten Mal bekommt er den Auftrag: „Steh auf und iss! Sonst ist der Weg zu weit für dich.“

40 Tage und 40 Nächte wandert Elija dann zum Gottesberg Horeb, wo Gott sich ihm offenbart und ihn belehrt, dass sein Walten im Heilsplan mit den Menschen nicht so ausschaut, wie Elija es erwartet. Und Elija wird wieder in die Wüste geschickt: Geh deinen Weg durch die Wüste zurück, und salbe Elischa zum Propheten an deiner Stelle. Elija selbst hat – mit seiner Selbstüberschätzung – als Prophet ausgedient.

Zutrauen zu Gott verschwunden

Es gibt im Alten Testament eine interessante Parallele zu unserer Elijaperikope. Der Prophet Jona äußert wie Elija Gott gegenüber den Todeswunsch: Nimm mein Leben! (vgl. 1 Kön 19,4 und Jona 4,3.9). Im Jonabuch scheitert der Prophet an der Barmherzigkeit, Gnade und Huld Gottes, deren Bote er sein soll, aber nicht sein will: „Eben darum wollte ich ja nach Tarschisch fliehen; denn ich wusste, dass du ein gnädiger und barmherziger Gott bist, langmütig und reich an Huld und dass deine Drohungen dich reuen. Darum, Herr, nimm doch nun mein Leben von mir! Denn es ist besser für mich zu sterben als zu leben“ (Jona 4,2f).

Hier in der Elijaerzählung scheitert der Prophet, der sich im Selbstmitleid von allen guten Geistern verlassen fühlt – eben auch von Gott – daran, dass er Gott nichts mehr zutraut. Dem einen ist Gott zu weitherzig, dem anderen ist Gott zu kleinherzig.

„Brot“ verknüpft Lesung und Evangelium

Im Zusammenhang mit der Liturgie des 19. Sonntags im Jahreskreis ist die Elijaperikope nicht um ihrer selbst willen ausgesucht. Da geht es vielmehr um das Stichwort „Brot“, das die Lesung mit dem Evangelium verknüpft. Auf der einen Seite ist es der Prophet Elija, der in der Wüste vom Engel Gottes mit Brot und Wasser versorgt wird, damit er den Weg zum Gottesberg bewältigen kann. Auf der anderen Seite ist es im Evangelium Jesus Christus, der sich als das „Brot des Lebens“ offenbart.

Neben dieser offensichtlichen gibt es eine weitere Verbindung zwischen der ersten Lesung und dem Evangelium. In der ersten Lesung sehen wir den Propheten Elija in seiner Verzweiflung. Im Evangelium ist von den murrenden Zeitgenossen Jesu die Rede, die nicht glauben, dass er das Brot vom Himmel ist. Zwischen diese beiden Texte lässt sich gut die zweite Lesung einbinden mit der Ermahnung des Apostels Paulus: Meidet „jede Art von Bitterkeit und Wut und Zorn und Geschrei und Lästerung mit allem Bösen“.

Sämtliche Texte der Lesungen vom 19. Sonntag im Jahreskreis / Lesejahr B finden Sie hier.

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