Pater Christian Brüning: Mit Dreistigkeit vor Gott

Auslegung der Lesungen vom 18. Sonntag im Jahreskreis / Lesejahr B

Anzeige

Vom Murren des Volkes Israel ist im Alten Testaments gleich mehrmals die Rede. Mose selbst wird auf die Probe gestellt und wendet sich an Gott, und zwar in einer durchaus dreisten Weise, kommentiert Pater Christian Brüning und legt die Lesungen dieses Sonntags aus.

In der ersten Lesung und im Evangelium des 18. Sonntags im Jahreskreis ist von Hunger und Gier der Menschen und dem „Brot des Himmels“ die Rede, das Gott den Menschen schenkt.

In der zweiten Lesung aus dem Epheserbrief mahnt der Apostel Paulus: „Legt den alten Menschen … ab, der sich in den Begierden des Trugs zugrunde richtet“ (Eph 4, 22).

Vom Murren Israels

Die Lesungen vom 18. Sonntag im Jahreskreis / Lesejahr B zum Hören finden Sie hier.

Oft wird im Alten Testament vom Murren Israels erzählt. Eine besonders drastische Episode steht in Numeri 11, 4-6.10-15. Es handelt sich um eine Parallele zu unserer ersten Lesung: „Die Leute, die sich den Israeliten angeschlossen hatten, wurden von der Gier gepackt und auch die Israeliten begannen wieder zu weinen und sagten: Wenn uns doch jemand Fleisch zu essen gäbe!

Wir denken an die Fische, die wir in Ägypten umsonst zu essen bekamen, an die Gurken und Melonen, an den Lauch, an die Zwiebeln und an den Knoblauch. Doch jetzt vertrocknet uns die Kehle, nichts bekommen wir zu sehen als immer nur Manna.

Mose wendet sich klagend an Gott

Mose hörte das Volk weinen, nach Sippen getrennt, jeder am Eingang seines Zeltes. Da entbrannte der Zorn des Herrn; in den Augen des Mose war es böse. Da sagte Mose zum Herrn: Warum warst du so böse zu deinem Knecht und warum habe ich keine Gnade in deinen Augen gefunden, dass du mir die Last dieses ganzen Volkes auflädst?

War ich denn mit diesem ganzen Volk schwanger oder habe ich es geboren, dass du zu mir sagst: Trag es an deiner Brust, wie die Amme den Säugling trägt, in das Land, das du seinen Vätern mit einem Eid verheißen hast? Woher soll ich für dieses ganze Volk Fleisch nehmen? Sie weinen vor mir und sagen zu mir: Gib uns Fleisch zu essen! Ich kann dieses ganze Volk nicht allein tragen, es ist mir zu schwer. Wenn du mich so behandelst, dann bring mich lieber gleich um.“

Gott antwortet auf seine Weise

Nicht nur das Hadern Israels beziehungsweise des Mose wird hier dargestellt. Die Erzählung ist zugleich ein Lehrstück zum Thema „Reden mit Gott, Beten, Bitten, in Gott Dringen“. Mit welch einem Freimut, welcher Dreistigkeit tritt Mose vor Gott hin! Ohne ein Blatt vor den Mund zu nehmen; aufmüpfig, keineswegs als unterwürfiger Bittsteller.

Und Gott lässt so mit sich reden! Allerdings reagiert er auf seine Weise (Num 11,18-20): „Der Herr wird euch Fleisch geben und ihr werdet essen. Nicht nur einen Tag werdet ihr es essen, nicht zwei Tage, nicht fünf Tage, nicht zehn Tage und nicht zwanzig Tage, sondern einen Monat lang, bis es euch zur Nase herauskommt und ihr euch davor ekelt. Denn ihr habt den Herrn, der mitten unter euch ist, verworfen und habt vor ihm geweint und gesagt: Warum sind wir aus Ägypten weggezogen?“

Spritzigere Variante der Lesung

Diese Variante zu unserer Lesung ist spritziger, witziger. Die Darstellung der Israeliten, des Mose, ja auch Gottes ist mit zwinkerndem Humor überzeichnet. Die Lesung aus dem Exodusbuch ist kürzer, komprimierter. Sie spielt zeitlich vor der geschilderten Episode des Numeribuches; die Israeliten blicken bereits auf das Mannawunder zurück. 

Im Zusammenhang der Liturgie des 18. Sonntags im Jahreskreis ist die Exodusfassung daher passender. In der Sonn- und Festtagsliturgie steht die alttestamentliche Lesung allerdings (leider) nicht für sich. Sie ist immer im Hinblick auf das Evangelium ausgewählt. Und da geht es an diesem Sonntag vor allem um das „Brot des Himmels“, das Gott den Menschen schenkt.

Jesus, das Brot des Lebens

Beide Lesungen bilden eine Art Diptychon, ein Zwei-Tafeln-Bildwerk. Auf der einen Seite ist das ewig unzufriedene, stets nach Neuem gierende nimmersatte Volk Israel zu sehen. Auf der anderen die Leute, die nicht wirklich Jesus, sondern den Wundern nachjagen, die ihren Hunger stillen sollen. Dort ist es das Wunderbrot, das Gott den Israeliten schenkt. Hier ist es – in der Übersteigerung – Jesus, das Brot des Lebens, das sich den Menschen schenkt. Um ihn geht es bei diesem Zwei-Tafel-Werk. Um ihn bei jeder Eucharistiefeier, bei der wir zum Tisch des Wortes und zum Tisch des Brotes geladen sind.

Die zweite Lesung in der Sonntagsliturgie stammt immer aus einem fortlaufenden Zusammenhang. An diesem Sonntag passt sie mit der paulinischen Mahnung gut zwischen alttestamentlicher Lesung und Evangelium: „Legt den alten Menschen ab, zieht den neuen Menschen an!“ Denn wir sind, so mag man fortfahren, geladen zum Festmahl der Liebe Gottes, die jeglichen Hunger und all unsere Sehnsucht stillen will.

Sämtliche Texte der Lesungen vom 18. Sonntag im Jahreskreis / Lesejahr B finden Sie hier.

Anzeige