Henrike Kuhlmann über kirchliche Angebote für junge Erwachsene

Wo ist die Kirche, wenn junge Menschen auf ihrem Glaubensweg Hilfe suchen?

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Viele junge Menschen geraten immer wieder in eine Selbstfindungsphase. Dabei kann der Glaube ein Anker sein. Doch die Kirche schafft es nicht, junge Leute zu erreichen, sagt Henrike Kuhlmann im neuen Kirche+Leben-Format „Der junge Kommentar“.

Vor ein paar Wochen kam mir der Gedanke, dass es jungen Leuten, die nicht gerade Theologie studieren, schwer gemacht wird, Teil von einer Glaubensgemeinschaft zu werden und aktiv an Angeboten von Kirche und Bistum teilzunehmen.

Ich habe mich zum Beispiel für Berufungsexerzitien in Innsbruck angemeldet. Das bedeutet acht Stunden Zugfahrt. Mich hat es irritiert, dass es so weit weg war und ich habe nach Alternativen im näheren Umkreis gesucht, aber tatsächlich nichts Vergleichbares gefunden. Das könnte zwei Gründe haben. Entweder gibt es nicht genug Angebote für junge Menschen, die Unterstützung in ihrem Glaubensweg suchen. Oder es gibt sie schon, aber sie verlassen eben nicht die Blase derer, die aktiv in der Kirche sind und deren Lebensumkreis auch stark in der Kirche verankert ist.

Kirche muss zu allen Menschen kommen

Sollte ich mich also mehr in der Kirche einbringen und regelmäßig zu den Gottesdiensten der Katholischen Hochschulgemeinde in Bonn gehen, die mich persönlich ehrlicherweise nicht wirklich ansprechen? Ich denke nicht. Kirche muss zu allen Menschen kommen. Auch zu den jungen Leuten, auch zu denen, die vieles kritisch sehen. Kirche muss sich öffnen, sie muss anfangen, nicht nur darüber nachzudenken, wie sie sich in der katholischen Bubble optimal präsentiert.

Die Autorin
Henrike Kuhlmann ist 23 Jahre alt und studiert Politik, Soziologie und Psychologie im Bachelor in Bonn. 2019/20 hat sie am Orientierungsjahr in Münster teilgenommen, das sie sehr gestärkt hat in ihrem Glaubensweg.

Wie soll das Orientierungsjahr vom Bistum Münster erfolgreich sein, wenn man nur in den katholischen Gymnasien Werbung dafür macht? Wie soll das Erzbistum Köln denn jungen Menschen die Türen öffnen, wenn es offiziell vom Erzbistum keinen einzigen Gottesdienst und keine Angebote gibt, zu denen queere Menschen aktiv eingeladen werden?

Kirche könnte Räume ohne Angst schaffen

In meiner Vorstellung besteht die aktuelle Rolle der Kirche aus der Erarbeitung von guten Glaubensangeboten, die dann in den Kirchenräumen beworben werden. Aber wer geht noch einen Schritt weiter? In die Schulen, Unis, in die Medien?

Ich erlebe in meinem Umkreis von Freund*innen aktuell eine starke Selbstfindungsphase. Der Glaube ist bei einigen eine Stütze, ein Anker, der aber meist im Privaten gelebt wird. Unsere Kirche könnte daran anschließen und Räume schaffen, in denen man Erfahrungen in Gesprächen teilen kann, ohne Angst haben zu müssen, für den eigenen Lebensweg verurteilt zu werden.

Auch mit dem Jungen Kommentar wird ein Schritt auf die junge Gesellschaft zugemacht. Zumindest fühle ich mich ein bisschen gehört, gestärkt darin, dass auch meine Ansichten in der Kirche ein Platz haben.

„Niemand soll dich wegen deiner Jugend geringschätzen!“, ermutigt der 1. Timotheusbrief (4,12) seinen Empfänger Timotheus. Und in der 1.500 Jahre alten Benediktsregel rät der heilige Benedikt, bei wichtigen Dingen alle Brüder anzuhören, „weil der Herr oft einem Jüngeren offenbart, was das Bessere ist“ (RB 3,3). Darum kommen in unserer Rubrik „Der junge Kommentar“ ausdrücklich Autor:innen unter 30 Jahren mit ihrer persönlichen Meinung zu einem selbst gewählten Thema zu Wort. Sie sind ein Beitrag zu einer Kirche, deren Anliegen es ist, die Zeichen der Zeit zu erkennen.

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