Ehrenamtlich in der Pfarrei engagiert

Wie die Krise der Kirche Gaby und Rainer Scherer anspornt

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In der Kirche von morgen kommt es noch mehr auf Ehrenamtliche an. Das Ehepaar Scherer aus dem oldenburgischen Holdorf weiß: „Wenn aus unserer Gemeinde nichts kommt, ist die Kirche zu.“ Und nimmt das als Auftrag.

Eine Enttäuschung an Heiligabend vor zwölf Jahren war so etwas wie der Auftakt. Gaby Scherer erinnert sich noch gut. Sie und ihr Mann wollten mit ihrem damals einjährigen Sohn ein Krippenspiel besuchen. Doch in der Pfarrkirche im oldenburgischen Steinfeld, ihrem Dorf im Landkreis Vechta, habe es so etwas damals nicht gegeben.

„Da habe ich mir vorgenommen: Ich werde künftig selbst so etwas organisieren“, erinnert sich die 45-jährige Erzieherin und erklärt, was ihr vorschwebte: „Gottesdienste für Kinder zwischen anderthalb und drei Jahren. Und zwar nicht nur an Weihnachten!“

Gottesdienste oft ungeeignet für kleine Kinder

Auch ihrem Mann war schon länger aufgefallen, „dass Gottesdienste für kleine Kinder oft öde sind“, und meist viel zu lang. Die Kleinen würden davon nicht angesprochen, sagt Rainer Scherer. „Und das hat uns beide geärgert.“

Dabei sieht er durchaus das Dilemma: einerseits das berechtigte Interesse von Menschen, die in Ruhe Eucharistie feiern möchten, und andererseits Familien mit manchmal quakigen und unruhigen Kindern. Sein Wunsch: Auch für letztere müsste es doch etwas Passendes geben!

Erste Aktion: Krippenspiel im Reitstall

Also krempelten die Scherers gemeinsam mit anderen die Ärmel auf. Gaby Scherer fand Mitstreiterinnen für einen „Kindermesskreis“. Der organisierte als erste Aktion im Jahr darauf selbst ein Krippenspiel in Steinfeld, in einem Reitstall – weil es an Heiligabend terminlich in der Kirche nicht passte.

Die Notlösung entpuppte sich als Glücksgriff. Die Teilnehmerzahl zeigte sofort, wie groß der Bedarf war. „Die Halle war voll“, sagt Gaby Scherer. „300 Eltern, Großeltern und Kinder wollten dabei sein.“ Die Feier zog auch Menschen aus Dörfern und Städten im Umkreis an. Fünf Jahre lief das so.

Nach dem Umzug ging es in Holdorf weiter

Gaby Scherer sagt im Rückblick: „Also war eigentlich unser Ältester ein Grund, weshalb ich mich in Familienmesskreisen engagiere.“ Zuerst mit Frauen in Steinfeld und nach dem Umzug der Familie ins benachbarte Holdorf dort mit einem neuen Kreis von fünf Frauen.

Mit mehreren Angeboten im Jahr. Nicht nur, aber auch in der Kirche. Und auch mal bei einem Naturlehrpfad oder in Pastors Garten. Wie gerade erst bei einem besonderen Gottesdienst für Großeltern und Enkel. Und neuerdings mit ihrem Mann als Leiter der Liturgie.

Rainer Scherer leitet neuerdings Wortgottesdienste

Seine Premiere in dieser Funktion feierte Rainer Scherer beim Familiengottesdienst am Palmsonntag in der Holdorfer Kirche. Im vergangenen November hat der gelernte Erzieher die Ausbildung zum Wortgottesdienstleiter abgeschlossen. Er gehörte zum ersten Kurs, den die Fachstelle für Pastorale Entwicklung und Begleitung im Oldenburger Land dafür angeboten hatte.

Damit können die Familiengottesdienste in Holdorf ohne den leitenden Pfarrer Christian Wölke weitergehen. Der hatte bis dahin die Vorbereitung begleitet und die Liturgie geleitet, war aber im März nach Barßel (Kreis Cloppenburg) gewechselt. Seit seinem Abschied ist die Stelle unbesetzt.

Ehrenamtliche sind jetzt noch stärker gefragt

Dafür sind jetzt Ehrenamtliche jetzt stärker als bisher gefragt. Menschen wie Gaby Scherer und die anderen Frauen in ihrem und einem weiteren Vorbereitungskreis für Familiengottesdienste in Holdorf, aber auch Menschen wie ihr Mann, die als Leiterin oder Leiter Wortgottesdiensten vorstehen.

Rainer Scherer freut sich deshalb, dass er nicht der einzige im Ort geblieben ist. Ein weiterer Mann habe den Kurs auch schon absolviert. „Der nächste wird Ende November mit der Ausbildung fertig sein“, sagt er. Und sein Lächeln zeigt, wie sehr ihn das freut.

Rainer Scherer ist Mitglied im Diözesanpastoralrat

Der 44-Jährige hat dabei nicht die Kindergottesdienste im Blick und auch nicht nur den Gemeindeteil Holdorf. Sondern die ganze Pfarrei – und die Kirche im gesamten Bistum. Denn mittlerweile gehört er zum Leitungsduo des Steinfelder Pfarreirats. Außerdem berät er sowohl im oldenburgischen als auch im Diözesanpastoralrat mit. Und er hat sich auf den Weg zur Weihe zum Ständigen Diakon gemacht.

Aus Gesprächen mit Weihbischof Wilfried Theising und dem oldenburgischen Seelsorgeamtsleiter Markus Wonka weiß Rainer Scherer: „Nur da, wo Kirche lebt, da wird sie auch weiter stattfinden.“ Das sei für ihn Ansporn, sagt er und spitzt es so zu: „Wenn nichts aus der Gemeinde selbst kommt, ist die Kirche zu.“

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