Kinder- und Jugendhilfe St. Mauritz: Mehr Anfragen als Plätze

Ist das Kindeswohl in Gefahr, muss es schnell gehen – falls Platz ist

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Die Kinder- und Jugendhilfe St. Mauritz in Münster nimmt Kinder aus familiären Krisensituationen auf - in akuten Fällen ist sofortige Hilfe nötig. Einrichtungsleiter Michael Kaiser zeigt sich besorgt: „Das Staatsversprechen, Kinder in Sicherheit zu bringen, denen Gewalt angetan wurde, kann nicht immer eingehalten werden.“

Am Mauritz-Lindenweg 56 in Münster stehen dunkelrote Backsteinhäuser, umgeben von Rasenflächen mit Spielgeräten. Einige Kinder spielen auf dem großen Innenhof Fußball, während am Rand Kinder mit zwei Frauen auf einer Bank sitzen und Eis essen. Der Eindruck erinnert an eine Schule, tatsächlich handelt es sich jedoch um ein Wohnheim für Kinder und Jugendliche.

Michael Kaiser ist Diplom-Pädagoge mit Weiterbildung zum Traumapädagogen, er arbeitet seit 1987 in der Heimerziehung. Seit 2017 ist er Leiter der Einrichtung. Darüber hinaus ist der 61-Jährige Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft der Erziehungshilfen in der Diözese Münster (AGE) sowie im Vorstand des Bundesverbands “Caritas Kinder- und Jugendhilfe” (BVkE) tätig.

Kinder- und Jugendhilfe: Mehr Bedarf, zu wenig Personal

Die Lage in seiner Einrichtung, aber auch allgemein in sozialen Arbeitsbereichen, habe sich durch die Corona-Pandemie und ihre Folgen stark verschlechtert, sagt Kaiser zu Kirche+Leben. Einerseits sei der Bedarf an Unterstützung für Familien, die sich mit der Erziehung und Betreuung ihrer Kinder überfordert fühlen, gestiegen. Andererseits sei der Fachkräftemangel deutlich spürbar.

Laut Statistischem Bundesamt nahmen 2022 fast 1,2 Millionen Kinder und Jugendliche unter 27 Jahren beziehungsweise deren Eltern sogenannte Hilfen zur Erziehung in Anspruch. Das waren vier Prozent mehr als im Jahr zuvor. Zu den Hilfen gehören sowohl Erziehungsberatungen als auch die Unterbringung in Einrichtungen wie der Kinder- und Jugendhilfe St. Mauritz.

Kinderschutzfamilien ermöglichen sofortige Hilfe

Wenn Kinder sich bei ihren Familien in bedrohlichen Lebenssituationen befinden, leitet das zuständige Jugendamt sofortige Hilfe in Form einer Inobhutnahme ein. Das Kind wird aus seinem Zuhause abgeholt und in einer Notaufnahmegruppe untergebracht. Die Kinder- und Jugendhilfe St. Mauritz stellt derzeit zwei Gruppen mit insgesamt elf Plätzen für Mädchen und Jungen zwischen drei und zwölf Jahren bereit.

Jüngere Kinder werden in Bereitschaftspflegefamilien untergebracht. Da der Bedarf das Angebot an Plätzen übersteigt, ist Kaiser gemeinsam mit dem Jugendamt der Stadtverwaltung auf der Suche nach sogenannten Kinderschutzfamilien.

Diese nehmen ein betroffenes Kind für lediglich zehn Werktage bei sich zu Hause auf, wenn alle anderen Plätze belegt sind. Für Menschen, die einem Kind kurzfristig für einen begrenzten Zeitraum einen sicheren Ort geben möchten, hat die Einrichtung die wichtigsten Informationen auf ihrer Internetseite zusammengefasst.

Wegbegleitung in die Zukunft

Kaiser und seinen Mitarbeitenden ist es wichtig, dass die betroffenen Kinder und Jugendlichen in der Einrichtung nicht nur einen neuen Wohnort finden. Durch die traumatischen Erlebnisse in ihren Familien hätten ihre Seelen Schaden genommen, sagt er: „Unsere Überzeugung ist, dass nicht die Kinder, die hierherkommen, falsch sind, sondern das, was sie erlebt haben, war falsch.“ Das kann Vernachlässigung, psychische und physische Gewalt oder sexueller Missbrauch sein.

Durch aktive Freizeitgestaltung, Beschäftigungs- und Psychotherapie soll den Kindern und Jugendlichen Sicherheit vermittelt, ihre Selbstwirksamkeit gestärkt und Teilhabe ermöglicht werden. Als einen Höhepunkt hebt Kaiser die Erlebnispädagogik hervor, bei der beispielsweise Gruppenausflüge zum Klettern in der Natur organisiert werden. Im Leitbild der Einrichtung heißt es: „Wir haben einen Traum: Dass Kindern und Jugendlichen ihr Leben gelingt.“

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