Neue Kirchenasyl-Initiative von Seelsorgenden im Bistum Münster

Pfarrer: Kirchenasyle wollen das staatliche Recht nicht unterlaufen

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Seelsorgende im Bistum Münster wünschen sich eine „Bestärkung“ von oben, dass Pfarreien über Kirchenasyle nachdenken sollten. Pfarrer Christoph Gerdemann sagt, was dies bringen würde, warum er Kirchenasyle für geboten hält – und wie ein konkreter Fall abläuft.

Herr Pfarrer Gerdemann, warum fordern Sie und weitere Seelsorgende im Bistum Münster öffentlich Unterstützung der Bistumsleitung für Kirchenasyle? Hat die Rückendeckung nachgelassen?

In der Arbeit für ein verantwortetes Kirchenasyl, das wir derzeit in unserer Pfarrei ermöglichen, weiß ich mich von unserem Bischof unterstützt und gestärkt. Ich denke, mit Blick auf freiwillig Engagierte und jene, die überlegen, die Möglichkeit eines Kirchenasyls in ihrer Pfarrei einzurichten, wäre eine Bestärkung von Seiten der Bistumsleitung eine hilfreiche und wichtige Ermutigung, sich mit dem Thema Kirchenasyl intensiv zu beschäftigen. So kann dieses wertvolle Instrument der Kirchen und Klöster für Menschen in Not verantwortlich eingerichtet werden und seine segensreiche Kraft entfalten.

Der öffentliche Aufschrei nach einer Ermutigung würde wohl laut ausfallen. Kritiker könnten argwöhnen, die Kirche unterlaufe Entscheidungen von Behörden und Gerichten.

Christoph Gerdemann ist Leitender Pfarrer der Pfarrei Papst Johannes in Hamm-Heessen. Er zählt zu den Seelsorgenden, die sich in einer öffentlichen Erklärung zum Kirchenasyl geäußert haben.

Die Absicht derer, die Kirchenasyl gewähren, ist nicht, das staatliche Recht zu unterlaufen, sondern Menschen einen Schutzraum zu bieten, die durch Abschiebung in ein bestimmtes Land an Leib und Leben stark gefährdet sind. In einigen Ländern, in die Flüchtlinge abgeschoben werden, ist die Situation äußerst inhuman – zum Beispiel Gefängnisse als Unterkunft für Asylsuchende – und nicht mit europäischen Menschenrechtsbestimmungen vereinbar. Daher können wir nicht zusehen bei Abschiebungen in solche Staaten.

Welche Kriterien für ein Kirchenasyl gibt es?

Als „ultima ratio“ gewährt eine Pfarrei Kirchenasyl für eine Person, die Gefahr läuft, durch eine Abschiebung in ein bestimmtes Land Schaden an Leib und Leben zu nehmen. Das ist das einzige und entscheidende Kriterium. Für die Anerkennung solch eines individuellen Härtefalls braucht das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) ein Dossier, in dem dies eindeutig begründet wird. Ferner ist es notwendig, eine Unterkunft in einem kirchlichen oder klösterlichen Gebäude – zum Beispiel Kirche, Pfarrhaus, Pfarrheim, Klosterräumlichkeiten – zu schaffen und eine soziale, medizinische und finanzielle Betreuung sicherzustellen. Darüber hinaus informiert die Pfarrei umgehend die Ausländerbehörde, das BAMF und das Katholische Büro in der Landeshauptstadt über ein Kirchenasyl. So wird deutlich, dass niemand vor den Behörden versteckt wird.

In der Erklärung der Seelsorgenden ist von einer „zunehmenden Zahl“ von Menschen die Rede, die um Kirchenasyl bitten. Können Sie das belegen?

Bei uns im Pfarrhaus in Hamm-Heessen haben in den vergangenen sechs, sieben Wochen acht Menschen wegen eines möglichen Kirchenasyls angefragt.

Haben Sie Kirchenasyl gewährt?

Nein, weil der Platz zunächst belegt war. Wir haben nur ein kleines Zimmer, in dem für eine Person Platz ist. Mitte Mai hat bei uns ein Mann das Kirchenasyl verlassen. Insofern erfolgreich, als sein Asylverfahren nun in Deutschland durchgeführt wird.

Und danach?

Zunächst Nein, weil aus unserer Sicht nicht bei allen Fragestellern ein individueller Härtefall vorlag. Derzeit ist der Platz aber wieder belegt.

Wie ist der Ablauf, wenn jemand um Kirchenasyl bittet?

Wenn jemand nach Kirchenasyl fragt, vermitteln wir zunächst in eine Beratung vor Ort – in Hamm zum Beispiel beim „Multikulturellen Forum“. Dort wird geprüft, ob ein individueller Härtefall vorliegt. Ist das der Fall, binden wir die rechtliche Beratung des Diözesan-Caritasverbands Münster und das Netzwerk „Kirchenasyl in NRW“ ein. Sollte auch von dort bestätigt werden, dass ein individueller Härtefall vorliegt, entscheidet der Unterstützerkreis in unserer Pfarrei, ob wir ein Kirchenasyl gewähren.

Sie schreiben in Ihrer Stellungnahme, „weitere Schritte“ zur Stärkung des Kirchenasyls seien geplant. Welche?

Das steht noch nicht fest. Anfang Oktober treffen sich die Unterzeichnenden wieder.

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