Themenwoche: Wozu braucht es die Kirchensteuer? (3)

Wie sich die Kirchen in Europa finanzieren – ein Überblick

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Während in den meisten Weltregionen der Kirchenbetrieb durch Spenden, Kollekten und sonstige Zuwendungen von Gläubigen bestritten wird, gibt es in Europa verschiedene Modelle. Ein Überblick.

Kirchenfinanzierung in Österreich

Österreich hat seit 1939 ein von der damaligen nationalsozialistischen Führung eingeführtes Kirchenbeitragssystem. Ähnlich der deutschen Kirchensteuer wird der Kirchenbeitrag vom steuerpflichtigen Jahreseinkommen von Kirchenmitgliedern berechnet. Anders als in Deutschland wird der Beitrag nicht vom Staat, sondern von den Bistümern eingezogen. Daraus werden die kirchlichen Kernaufgaben wie Seelsorge, Gebäudeerhalt, Soziales und Bildung finanziert.

Beiträge an anerkannte Religionsgemeinschaften sind von der Einkommensteuer zum Teil als Sonderausgaben absetzbar. Zudem erhält die Kirche vom Staat jährlich „Wiedergutmachungszahlungen“, eine Entschädigung für Vermögen, das ihr in der Nazizeit entzogen und später nicht zurückgegeben wurde.

Kirchenfinanzierung in Italien

In Italien zieht zwar wie in Deutschland und Österreich der Staat eine Art Kirchensteuer ein. Allerdings geht sie nicht zusätzlich vom Einkommen ab, sondern vom gesamten Aufkommen der persönlichen Einkommenssteuer. Seit 1984 kann jeder Steuerpflichtige in seiner Steuererklärung frei entscheiden, ob er festgesetzte acht Promille (0,8 Prozent, „otto per mille“) entweder dem Staat oder einer von derzeit zwölf Religionsgemeinschaften zuweist, die mit dem Staat ein solches Abkommen haben.

Der Steuer kann man sich nicht durch Kirchenaustritt entziehen; sie wird von allen Steuerzahlern entrichtet. Allerdings geben nur gut 40 Prozent an, wem sie ihren Anteil zuweisen. Entsprechend der Aufteilung der 40 Prozent weist der Staat den Rest den Empfängern zu. Damit erhält die katholische Kirche gut 70 Prozent der gesamten Einnahmen.

Kirchenfinanzierung in Spanien

Themenwoche Kirchensteuer
Die Kirchensteuer ist die wichtigste Einnahmequelle der Kirchen in Deutschland - aber auch eine umstrittene. In einer Themenwoche stellen wir das deutsche System vor, schauen zu unseren europäischen Nachbarn, erläutern, wie die Kirchensteuer verwendet wird, und fragen, ob ein anderes Modell für Deutschland möglich wäre.

Eine ähnliche verpflichtende Widmung eines Steueranteils für Kirchen oder Kultur gibt es seit 1978 / 82 auch in Spanien. Die Steuerpflichtigen entscheiden freiwillig mit ihrer Steuererklärung, ob ein 0,7-Prozent-Anteil ihrer Steuerschuld der Kirche oder anderen sozialen und kulturellen Zwecken zufließt.

Kirchenfinanzierung in Frankreich

Seit der strikten Trennung von Staat und Kirche 1905 erhält die Kirche im katholisch geprägten Frankreich keinerlei staatliche Zuschüsse und ist allein auf Spenden von Gläubigen angewiesen. Priester und Bischöfe bekommen monatlich rund 950 Euro, von denen teils noch Unterkunft und / oder Verpflegung zu bestreiten sind.

Die Einkünfte der Diözesen sind gemäß dem Gesetz von 1905 an die Finanzierung der kirchlichen Kernaufgaben wie Gottesdienst, Seelsorge und Caritas gebunden. Die Diözesen sind aufgefordert, Rücklagen zu bilden, die ungefähr einem Ausgabenjahr entsprechen. Dennoch ist deren Finanzlage höchst uneinheitlich. In den Departements Elsass und Mosel – 1905 Teil Deutschlands – gilt das Konkordat Napoleons von 1801 weiter; die Bistümer sind dort weder für den Unterhalt der nach 1905 errichteten Kirchen noch für Pfarrergehälter zuständig.

Kirchenfinanzierung in Belgien

In Belgien finanziert seit Napoleon der Staat über verschiedene rechtliche Konstruktionen direkt oder indirekt die Aufgaben der Kirche wie Pfarrgehälter und Baulast – so, wie es in Frankreich bis 1905 war. Zur Finanzierung kirchlicher Einrichtungen und Projekte sind ständige Verhandlungen mit staatlichen Behörden notwendig. Das System steht gesellschaftlich unter Druck, Reformen werden aber auf die lange Bank geschoben.

Kirchenfinanzierung in der Schweiz

Eigenheiten des Schweizer Staatskirchenrechts räumen Laien eine stärkere Mitbestimmung ein, als es das allgemeine Kirchenrecht vorsieht. Neben den Diözesen gibt es in fast allen Kantonen im staatlichen Recht verankerte, demokratisch verfasste Körperschaften. Aus dieser Doppelstruktur erwachsen Spannungen.

Aus den Kommunen ausgelagerte, öffentlich-rechtliche sogenannte Kirchgemeinden setzen den lokalen Kirchensteuersatz fest und nehmen das Geld ein. Sie agieren unabhängig von den Bistumsleitungen; aus ihren Töpfen werden die Pfarreien und letztlich auch Teile des Bischofshaushalts finanziert. Dachorganisation der Landeskirchen ist die Römisch-Katholische Zentralkonferenz der Schweiz.

Dass die Kirchgemeinden und kantonale Körperschaften über die Kirchensteuern verfügen, verstärkt die Neigung, auf den eigenen Kirchturm zu schauen statt auf Bistums- oder überdiözesane Projekte. Der Bischof muss sich mit den staatskirchenrechtlich verfassten Verwaltungsgremien aus Laienkatholiken in Finanzfragen einigen. Laien können Zahlungen aus Kirchensteuern an die Bistumsebene zurückhalten – erst 2023 wurde im Bistum Basel öffentlich damit gedroht, um die Aufarbeitung von Fällen sexualisierter Gewalt zu beschleunigen.

Auch sonst hat ein Schweizer Bischof keine volle Kontrolle über die finanziellen Aktivitäten der Kirche. Sprich: Die Landeskirchen können mit Steuermitteln Projekte unterstützen, die nicht im Bischofs-Sinn sind.

Kirchenfinanzierung in Großbritannien

Zwar ist die anglikanische Kirche Staatskirche von England; 26 ihrer Bischöfe sind geborene Mitglieder im Oberhaus des Parlaments. Doch erhält keine einzige Kirche im Vereinigten Königreich staatliche Finanzunterstützung. Kirchensteuern gibt es nicht.

Einzig der Erhalt denkmalgeschützter Gebäude kann seit 1979 subventioniert werden. Auch werden Spenden an registrierte Wohltätigkeitsorganisationen – auch kirchliche – steuerlich begünstigt. Die katholische, dann anglikanische Kirche wurde niemals für frühere Enteignungen entschädigt, etwa unter König Heinrich VIII. im 16. Jahrhundert. Grob gesagt finanzieren sich die Kirchen in Großbritannien vor allem durch Spenden ihrer Mitglieder.

Kirchenfinanzierung in Ungarn

Ungarn hat 1997 / 2004 eine frei gewählte, aber verpflichtende Zweckwidmung von ein bis zwei Prozent des Steueranteils für kirchliche, soziale, kulturelle oder humanitäre Zwecke eingeführt. Die recht großzügige staatliche Kirchenfinanzierung wird auch als Entschädigung für die Verfolgung in kommunistischer Zeit verstanden.

Kirchenfinanzierung in Polen

Buchhinweis:
Rudolf K. Höfer (Hg.): „Kirchenfinanzierung in Europa: Modelle und Trends“, Tyrolia-Verlag Innsbruck 2014, 248 Seiten, 19 Euro, ISBN 978-3-7022-3250-4

Aus dem Staatshaushalt in Polen fließen inzwischen mehr als 40 Millionen Euro pro Jahr in einen sogenannten Kirchenfonds. Er wurde 1950 als Ausgleich für die damalige Enteignung der Religionsgemeinschaften geschaffen. Aus dem Fonds werden Beiträge für Renten- und Sozialversicherungen eines Großteils der Geistlichen aller Konfessionen sowie Instandhaltungskosten für Kirchen bezahlt. In Polen gibt es keine Kirchensteuer. Die Konfessionen finanzieren sich ansonsten vor allem durch Kollekten und Spenden.

2012 kostete der Fonds den Staat noch etwa 22 Millionen Euro; seither steigen die jährlichen Ausgaben fast kontinuierlich. Das liegt unter anderem daran, dass der gesetzliche Mindestlohn steigt, der auch zur Berechnung der Versicherungsbeiträge dient.

Kirchenfinanzierung in der Slowakei

In der Slowakei werden seit 2020 Subventionen an die 18 staatlich anerkannten Religionsgemeinschaften nach der Zahl der Mitglieder, nicht mehr nach der der Geistlichen gezahlt. Der Staat weist weiter die Gehälter der Priester und die Betriebskosten der kirchlichen Zentralen an. Die Religionsgemeinschaften haben in der Verteilung der Dotation freie Hand. Sie müssen aber jährlich öffentlich Rechnung legen und die Zweckmäßigkeit ihrer Entscheidungen nachweisen. Fällt oder steigt die Mitgliederzahl bei der alle zehn Jahre gehaltenen Volkszählung um mehr als zehn Prozent, wird die staatliche Dotation einmalig gesenkt oder erhöht.

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