Themenwoche: Wozu braucht es die Kirchensteuer? (4)

Kultursteuer statt Kirchensteuer – geht das in Deutschland, Frau Ott?

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Eine Alternative zur Kirchensteuer ist die Kultursteuer, die nicht nur Kirchenmitglieder, sondern alle Steuerpflichtigen zahlen. Ein Modell für Deutschland? Kirche+Leben fragt Anna Ott. Die Kirchenjuristin hat beide Systeme in ihrer Promotion verglichen.

Frau Ott, was ist eine Kultursteuer eigentlich?

Im Gegensatz zur Kirchensteuer, die nur Mitglieder der jeweiligen Religionsgemeinschaft zahlen, ist die Kultursteuer eine staatliche Steuer für alle Steuerpflichtigen. Die Kultursteuer ist Teil der Einkommensteuer, die Höhe wird vom Staat festgelegt. Die Steuerpflichtigen geben jedes Jahr in ihrer Steuererklärung den Zweck an, dem ihre Kultursteuer zukommen soll.

Wo gibt es eine Kultursteuer?

Die bekanntesten Länder sind Italien, Spanien und Ungarn. Aber auch in Polen, Portugal, Slowenien und der Slowakei gibt es eine Form der Kultursteuer.

Und wie funktioniert das?

In Italien können die Menschen aus 13 Empfängern wählen, denen ihre Kultursteuer zukommen soll. Das sind zwölf Religionsgemeinschaften, darunter die katholische Kirche, und der Staat. Die Spanier können zwischen der katholischen Kirche und dem Staat wählen. Bei Letzterem gehen die Kultursteuer-Einnahmen in einen Fonds für soziale Zwecke. In Ungarn kann man zwischen rund 140 Empfängern wählen. In den anderen Ländern sind die möglichen Empfänger nicht nur religiöse, sondern generell gemeinnützig. Die Konkurrenz ist hier deshalb sehr groß. Zu den möglichen Empfängern zählen auch katholische Caritasverbände und kirchliche Vereine. An Bistümer und Pfarreien gehen die Einnahmen dort allerdings nicht.

Wie hoch sind die Steuersätze?

Themenwoche Kirchensteuer
Die Kirchensteuer ist die wichtigste Einnahmequelle der Kirchen in Deutschland - aber auch eine umstrittene. In einer Themenwoche stellen wir das deutsche System vor, schauen zu unseren europäischen Nachbarn, erläutern, wie die Kirchensteuer verwendet wird, und fragen, ob ein anderes Modell für Deutschland möglich wäre.

Im Vergleich zu Deutschland sehr niedrig. In Deutschland entspricht die Kirchensteuer neun oder acht Prozent der Lohn- und Einkommensteuer. Dagegen ist die Kultursteuer in Italien als „otto per mille“ bekannt, also acht Promille oder 0,8 Prozent der Einkommensteuer. In Spanien sind es 0,7 Prozent, in Ungarn ein Prozent.

Wieviel Geld kommt zusammen?

Natürlich weniger als in Deutschland. Hier nahm die katholische Kirche 2018 rund sechs Milliarden Euro ein, in Italien war es etwas mehr als eine Milliarde Euro. In Ländern ohne Kirchensteuer fallen aber zum Beispiel auch Gebühren für die Spendung von Sakramenten an; auch spielen dort Spenden eine weit größere Rolle für die Finanzierung der Kirche. In Italien und Spanien funktioniert die Kultursteuer vergleichsweise gut, weil die Länder katholisch geprägt sind und viele Steuerpflichtige sich entscheiden, die Kirche zu unterstützen.

Die Kirche in Deutschland erwartet deutlich geringere Steuereinnahmen wegen der stark sinkenden Zahl der Kirchenmitglieder. Allerdings betreibt die Kirche viele soziale Einrichtungen, die sie womöglich irgendwann nicht mehr finanzieren kann. Wäre die Kultursteuer ein Modell für Deutschland?

Das denke ich nicht. Die Kirchensteuer ist im Grundgesetz verankert, das müsste also geändert werden. Außerdem: Egal, wie hoch der Satz einer Kultursteuer wäre – es würde eine allgemeine Steuer neu eingeführt. Und Steuererhöhungen sind politisch nicht beliebt.

Aber wäre die Kultursteuer nicht gerechter? Beispiel Kitas: Kirchenmitglieder zahlen nicht nur mit allgemeinen Steuergeldern für Kindergärten, sondern als Kirchensteuerzahlende finanzieren sie auch den Trägeranteil katholischer Einrichtungen mit. Sie zahlen also doppelt, während Nicht-Kirchenmitglieder nur einmal zahlen, aber ihre Kinder auch in katholische Kitas schicken können.

Solche Gerechtigkeitsprobleme gibt es, aber auch für Nicht-Kirchenmitglieder. Die beschweren sich, dass sie über den Staatshaushalt beziehungsweise die Staatsleistungen kirchliche Einrichtungen mitfinanzieren, obwohl sie womöglich auch deswegen aus der Kirche ausgetreten sind, weil sie diese nicht finanziell unterstützen wollten. Ich halte die Kirchensteuer insgesamt aber für ein gutes System.

Warum?

Buchhinweis:
Anna Ott: „Kultursteuer statt Kirchensteuer? Die deutsche  Kirchenfinanzierung auf dem Prüfstand“, Verlag Herder, Freiburg 2024, 432 Seiten, 35 Euro. ISBN 978-3-4513-9754-7

Sie wird von der Einkommensteuer erhoben, übernimmt also das staatliche Prinzip der Steuergerechtigkeit, hohe Einkommen stärker zu besteuern. Außerdem hat die Kirche etwa für Familien nachgebessert, die weniger Kirchensteuern zahlen. Auch Erlass oder Stundung sind bei individuellen Härten möglich. Wichtig ist zudem: Auch wenn der Staat die Kirchensteuer im Auftrag der Kirchen einzieht und dafür auch einen Betrag erhält, ist die Kirchenfinanzierung über Kirchensteuern unabhängiger, als wenn der Staat die Kirchen direkt finanzieren würde. Eine Kultursteuer ist eine staatliche Finanzierung, weil sie eine allgemeine Steuer ist. Die Zahlenden bestimmen lediglich über den Zweck. Bei der Kirchensteuer entscheiden die Kirchen selbst über die Höhe.

Wie ließe sich das deutsche System reformieren – oder seine Akzeptanz verbessern?

Die Kirche müsste klarer machen, was sie mit Kirchensteuern alles leistet. Vielleicht lässt sich auch eine Art Mitbestimmung für die Steuerpflichtigen etablieren. Zum Beispiel, dass man Spenden an kirchliche Organisationen teilweise von der Kirchensteuer absetzen kann. Auf diese Weise könnte man zum Beispiel konkreter bei sich vor Ort oder bei Projekten eigener Wahl helfen.

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