Sozialpfarrer aus Lengerich sieht Christen und ihre Kirchen gefordert

Migrationsdebatte: Pfarrer Kossen warnt vor „Feigheit vor Mainstream“

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„Stimmungsmache“ gegen Migranten in Deutschland beobachtet der Sozialpfarrer Peter Kossen aus Lengerich. Er sieht die Christen gefordert, dagegenzuhalten – und er greift Friedrich Merz und Markus Söder an.

Die Migrationsdebatte in Deutschland greift der Menschenrechtsaktivist Pfarrer Peter Kossen scharf an. Er beobachtet nach eigenen Worten „Stimmungsmache“ und einen Generalverdacht gegenüber Migrantinnen und Migranten. „Wo sind die Kirchen, die unbeirrbar dagegenhalten?“, fragt er.

Es gebe keine einfachen Erklärungen; gleichwohl sei Weltoffenheit „viel besser begründet als Ausgrenzung und Abschottung“, sagt der Pfarrer aus Lengerich im Kreis Steinfurt, der sich seit Jahren unter anderem für die Rechte von Arbeitsmigranten aus Osteuropa einsetzt: „Feigheit vor dem Mainstream ist für Christen keine Option!“

„Deutschland braucht Nettozuzug – vor allem im Osten“

Nach Kossens Angaben gehen in Deutschland in den nächsten 13 Jahren 18 Millionen Menschen der Babyboomer-Generation in den Ruhestand und elf Millionen Menschen werden in derselben Zeit volljährig. Es würden also sieben Millionen Arbeitskräfte fehlen.

Deutschland braucht nach Angaben des Pfarrers einen „Nettozuzug“ von 400.000 Menschen jährlich. Die Wirtschaft gehe „in die Knie, wenn nicht mindestens so viele Menschen jedes Jahr neu zu uns kommen“ und bleiben würden. Das gelte besonders für den Osten: „Ostdeutschland ist die demografisch älteste Region der Welt, älter noch als Japan.“

Was Kossen Merz und Söder vorwirft

Dennoch werde Stimmung „gegen Migration jeder Art gemacht“. Migrantinnen und Migranten würden zur „Projektionsfläche diffuser Ängste und ungelöster gesellschaftlicher Probleme“.

Die Vorsitzenden von CDU und CSU, Friedrich Merz und Markus Söder, greift Kossen namentlich an. Er wirft ihnen und ihren Parteien, die „das Christliche als Markenkern vor sich hertragen“, Populismus vor, wenn sie nach Abgrenzung und Abschiebung rufen.

Warum der Pfarrer die Gesellschaft „verlogen“ findet

Zudem sei es „verlogen“, wenn die Gesellschaft die „Schwerstarbeit von Migrant*innen gern und selbstverständlich annimmt und dann den gleichen Menschen mangelnde Integration vorwirft“, findet der Pfarrer. Wer sechs Tage in der Woche elf Stunden am Tag in der Fleischfabrik schufte, könne nach der Arbeit kaum Deutsch lernen.

In vielen Branchen verlasse sich die Gesellschaft auf Arbeitsmigranten. Kossen nennt Alten- und Krankenpflege, Lebensmittelproduktion, Paketdienste, LKW-Fahrer, Hotellerie, Gastronomie und den Bausektor. Der Pfarrer folgert: „Die größere Verantwortung für gelingende Integration liegt bei der aufnehmenden und profitierenden Gesellschaft, also bei uns.“

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