Gemeinde an der Donau war schon 2013 massiv betroffen

Notfallseelsorger in Passau: Die Hochwasser-Angst der Leute kehrte zurück

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Mit Überschwemmungen kennt sich der Theologe Dieter Schwibach aus; lebte er einst doch selbst in Passau. Wie die kirchliche Notfallseelsorge Menschen helfen kann, die durch das Wasser ihr Hab und Gut verlieren.

Seit 2001 ist der Theologe Dieter Schwibach (64) oberster Notfallseelsorger im Bistum Passau. Beim Pfingsthochwasser 2013 waren er und seine Kollegen im Einsatz, 2016 bei der großen Flut im Landkreis Rottal-Inn und aktuell erneut. Die Katholische Nachrichten-Agentur (KNA) sprach mit Schwibach darüber, was solche sich wiederholenden Katastrophen mit Menschen machen.

Herr Schwibach, die Innenstadt von Passau steht wieder einmal unter Wasser. Was erleben Sie derzeit als Notfallseelsorger?

Wir sind zwar, geht es nach den Bildern, im Bistum Passau spektakulär betroffen, aber weit weniger als die Kollegen in Augsburg und Regensburg. Die haben ein völlig anderes Einsatzszenario in der Versorgung psychosozialer Notfälle. Die Regensburger haben ja sogar Evakuierungen gehabt, in der Diözese Passau sind wir da mit einem hellblauen Auge davon gekommen. 

Wie lief es bei Ihnen?

Als die Warnung vor Starkregen kam, sind die Anruferzahlen aus Niederalteich von Samstag auf Sonntag bei der Telefonseelsorge nach oben gegangen. Aus der an der Donau gelegenen Gemeinde, die zu diesem Zeitpunkt noch absolut sicher war, meldeten sich Leute, die 2013 beim Jahrhunderthochwasser massiv betroffen waren. Bei denen kam die Angst von damals wieder hoch. In der Summe ist die Kommune diesmal gut weggekommen. Das ist auch den verbesserten Schutzmaßnahmen zu verdanken. Aber natürlich gingen die Notfallseelsorger zu den verängstigten Leuten und sprachen mit ihnen.

Es geht nicht um tiefsinnige Gespräche

Triggerte auch das Datum?

Tatsächlich ist es so, dass es der 1. Juni 2016 war, als Simbach vom Wasser überrollt wurde. Und nun war die Warnung wieder Anfang Juni. Um diese Zeit scheinen die Wetterlagen so zu sein, dass immer wieder etwas passiert. In Fischerdorf bei Deggendorf, das Pfingsten 2013 im Wasser stand, findet seither jeden 2. Juni ein Gedenkgottesdienst statt, der vom Malteserhilfsdienst initiiert ist. Das machen die jedes Jahr. Da kommen nach wie vor die Menschen zusammen, weil die Bilder von damals, theologisch gesprochen, in ihren Seelen verankert sind.

Welche Erfahrungen haben Sie über die Jahre noch gemacht?

Die Notfallseelsorge wird vor allem in den nächsten Wochen stark gefragt sein, wenn die Schäden offensichtlich werden und die Menschen erkennen, was sie verloren haben. Die Seelsorger dürfen dann nicht in ihren Kirchen sitzenbleiben und warten, ob jemand kommt. Dann heißt es, zu den Leuten rausgehen. Da sind keine tiefen Gespräche über Gott und die Welt angesagt. Dann werden wir - mit Verlaub - den Kotzkübel hinhalten müssen. 

Die erste Ablehnung respektieren - und wiederkommen

Wie sieht das aus?

Die Leute müssen ins Reden kommen, ihr Leid und ihren Verlust beklagen können. Das sind keine hochtheologischen oder spirituellen Gespräche. Da hörst du: Mir geht es nur noch Scheiße. Ich kann nicht mehr schlafen. Jetzt ist alles vom Schock überdeckt. Die sogenannten Belastungsstörungen kommen erst danach.

Wie kann man als Mensch der Kirche noch helfen?

 Aus der Trauerlehre weiß man: Ein Mensch, dessen Nervenkostüm schwerstens belastet ist, der kann sehr gut Nein sagen. Er will in diesem Moment seine Ruhe haben. Die erste Ablehnung gilt es zu respektieren, dann aber durchaus wiederzukommen, wenn jemand besser ansprechbar ist. Das bedeutet mitunter eine zähe Streetworker-Arbeit. Aber die wird erfahrungsgemäß gefragt sein.

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