Ein Teilnehmer berichtet von der Begegnung

Priester, die Opfer von Missbrauch sind, treffen Papst Franziskus

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Sie wurden in jungen Jahren Opfer sexualisierter Gewalt durch katholische Priester - und wurden später selbst Priester: Papst Franziskus hat eine Gruppe Betroffener aus dem deutschen Sprachraum empfangen. Ein Teilnehmer berichtet.

Papst Franziskus hat mehrere Priester aus dem deutschen Sprachraum empfangen, die in jungen Jahren selbst Opfer sexualisierter Gewalt durch Geistliche waren. Nach dem Treffen in den Privaträumen des Papstes sagte der Priester Liudger Gottschlich zu "Vatican News": "Wir haben ihn als sehr interessiert, sehr offen, aber auch als sehr ermutigend und stärkend erlebt." Gottschlich wurde laut Angaben mit elf Jahren von einem Priester missbraucht; heute arbeitet er als Seelsorger für Betroffene.

"Wir sind als Priester, die selbst Missbrauch erlebt haben, in der Kirche in einer schwierigen Situation", so der Geistliche aus dem Erzbistum Paderborn. "Am liebsten sollten wir unsichtbar sein, denn wir erinnern die Kollegen immer wieder an dieses Thema." Auch die Gruppe betroffener Priester mahne, dass "dieses Thema nicht erledigt ist".

"Nicht wieder mundtot machen lassen"

Der Papst habe sie in seinem Wohnzimmer empfangen, berichtete der Priester. "Es war ein sehr intimes Gespräch, ein sehr vertrautes Gespräch." Franziskus als interessiert, offen und stärkend zu erleben, sei "etwas, was nicht überall in unseren Diözesen durch die Vorgesetzten geschieht", sagte der Geistliche.

"Der Papst hat uns sehr stark ermutigt, die eigenen Wunden fruchtbar zu machen für die seelsorgliche Arbeit, und zu versuchen, soweit das überhaupt möglich ist, heilend zu wirken." Das Treffen habe gezeigt, "dass es notwendig ist, nicht stumm zu werden, sich nicht wieder mundtot machen zu lassen, sondern dieses Thema in der Kirche wachzuhalten", betonte Gottschlich.

"Thema Missbrauch in der Kirche ist größer"

Die Darstellung, Missbrauch geschehe zum großen Teil in den Familien, in Sportvereinen und anderen Orten, während es in der Kirche "nur ein paar Prozent" seien, nannte der Seelsorger "verkürzt" und "theologisch falsch": "Die Kirche, das sind alle Getauften. Die, die missbraucht haben vor 20 oder 70 Jahren, waren ebenfalls alles Getaufte. Deshalb ist dieses Thema des Missbrauchs in der Kirche viel größer, und wir können es nicht einfach aufteilen in Familien und andere Gesellschaftsteile", sagte Gottschlich. Die Kirche habe eine Verantwortung "für diese vielen Menschen".

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