Cornelia Süßmann hat Treff gegründet

Menschen mit Behinderung trauern anders - ein Besuch im Trauercafé Vechta

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„Menschen mit Behinderung trauern anders“ – das hat Cornelia Süßmann in ihrer Arbeit gelernt. Deshalb hat die Seelsorgliche Begleiterin beim Andreaswerk Vechta einen Treffpunkt für sie organisiert.

Es ist jedes Mal die gleiche Geschichte. Die von dem jungen Mann, dessen Mutter starb, als er sie im Altenheim besuchen wollte. Cornelia Süßmann kann sie schon auswendig, weil er sie jedes Mal erzählt.

Wie er nicht in das Zimmer seiner Mutter durfte, weil gerade die Malteser da waren. „Ich kam da an und sie haben gesagt: Du kannst jetzt nicht in ihr Zimmer.“ Wie die Schwestern ihn vertrösteten und er am Ende erfuhr, dass seine Mutter verstorben war.

Trauercafé als Anlaufstelle zum Reden

Immer wieder die gleiche Geschichte. „So versucht er bei unseren Treffen, seine Trauer zu verarbeiten“, sagt Cornelia Süßmann, die als Seelsorgliche Begleiterin beim Andreaswerk arbeitet, der größten Einrichtung für Behindertenhilfe im Landkreis Vechta.

Sie erklärt das auch, um deutlich zu machen, wie wichtig das Angebot ist, das sie mit einem Team von Ehrenamtlichen und mit Unterstützung der Pfarrgemeinde St. Mariä Himmelfahrt Vechta auf die Beine gestellt hat und das seit etwas mehr als einem Jahr läuft: ein Trauercafé speziell für Menschen mit Behinderung.

Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern fehlt oft die Zeit

„Es ist für sie wichtig, eine Anlaufstelle zu haben, von der sie wissen: Da ist jemand, der mir zuhört“, erklärt die 68-Jährige, die früher im Gruppendienst in den Andreaswerk-Wohnheimen tätig war. Vor elf Jahren hat sie die Seelsorge-Zusatzausbildung gemacht.

„Den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Wohngruppen fehlt für solche Gespräche mit Trauernden oft die Zeit“, weiß die gelernte Altenpflegehelferin aus eigener Erfahrung. „Und auch für die Familien zu Hause ist es anstrengend, sich die immer wieder gleiche Geschichte anzuhören.“

Cornelia Süßmann hat viele Sterbende begleitet

Dass Menschen mit Behinderung anders mit Trauer umgehen, das hatte sie in ihren Jahren im Gruppendienst in den Wohnheimen immer wieder erlebt. Genauso wie mit dem Tod. Schon oft hat sie die Sterbebegleitung für Bewohnerinnen und Bewohner übernommen. Auch heute noch rufen ihre Kollegen an, wenn es mit einem von ihnen zu Ende geht.

„Wenn die Kräfte dann nach und nach schwinden, oder ein Mensch sehr schwer krank ist, dann setze ich mich dazu und versuche herauszufinden, was er braucht und was wir als Team tun oder mit Eltern oder Angehörigen organisieren können, damit es ihm gut geht“.

Menschen mit Behinderung sterben oft anders

Ihre Erfahrung: „Menschen mit Behinderung nehmen ihre Situation anders auf und anders hin. Weil sie sich weniger Gedanken über Krankheiten oder den Tod machen.“ Deshalb seien sie oft auch bis zum Schluss zufriedener und weniger verzweifelt.

Und wenn jemand aus einem Wohnheim verstorben ist, dann geht sie mit denjenigen, die das möchten, noch mal zu ihr oder ihm ins Zimmer, um Abschied zu nehmen. Mit einem Gebet oder einem Lied zum Beispiel.

„Menschen mit Behinderung trauern häufig auch anders“

Dabei hat sie eine weitere Erfahrung gemacht: „Menschen mit Behinderung sterben nicht nur anders. Sie trauern häufig auch anders.“ Manche hätten das große Bedürfnis, über ihren erlebten Verlust und ihre Gefühle zu sprechen.

So kam die Idee, für sie einen besonderen Ort zu schaffen: ein Trauercafé in der Vechtaer Innenstadt, das einmal im Monat genau dazu Gelegenheit gibt. Immer am 1. Donnerstag im Monat von 17 bis 18.30 Uhr.

Im Trauercafé geht es um jede Form von Traurigkeit

Wer kommt dahin? „Menschen, die um etwas oder jemanden trauern.“ Cornelia Süßmann lächelt. Auch das ist ein Unterschied zu einem Trauercafé für Menschen ohne Behinderung. „Das muss nicht unbedingt ein Verstorbener sein. Manche kommen auch, weil ein anderer Mitarbeiter weg oder in Rente geht und sie deswegen traurig sind.“

Jeder ist willkommen, auch Menschen ohne Behinderung. Man muss sich weder an- noch abmelden. Es gibt Tee und Kekse. Und sie und die anderen Mitarbeiterinnen des Trauercafés bereiten für jedes Treffen einen Impuls vor und zum Abschluss einen Abschlussritus, etwa mit Klangschalen.

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