Kirche+Leben-Interview über Themen, Frauen und die Wahl des Abtprimas

Benediktineräbte der Welt tagen in Rom – mit dabei: Pater Daniel, Gerleve

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In Rom sind derzeit alle Benediktineräbte der Welt zusammen. Pater Daniel aus der Abtei Gerleve hilft als Übersetzer. Ein Interview über Themen, Frauen und die Wahl des Abtprimas am Samstag.

Pater Daniel, geben Sie uns einen kleinen Eindruck: Wie läuft so ein Äbtekongress? Wer ist da? Wie geht’s Ihnen mittendrin?

Im schwülheißen Rom, mit andauernden Unterbrechungen im Internetempfang, Stunden ohne fließendes Wasser und schwirrenden stechenden Plagegeistern läuft seit einer Woche der Internationale benediktinische Äbtekongress hier in der Primazialabtei Sant‘ Anselmo auf dem Aventinshügel in Rom. Alle vier Jahre findet er statt, in diesem Jahr mit circa 230 Oberen, etwa 25 Vertreterinnen der internationalen Benediktinerinnengemeinschaft, vielen Helfern aus dem Orden, zahlreichen Angestellten und Gästen. Heute waren beispielsweise führende Mitglieder aus der anglikanischen Kirche und der armenischen Kirche bei uns. Gut 70 Prozent der Teilnehmenden gehören zur englischsprachigen Fraktion. 

Wie ist die Stimmung? 

Es herrscht trotz der großen Zahl der Teilnehmenden eine durchwegs freundliche Atmosphäre und eine große Bereitschaft, Kontakte aufzunehmen. Alte Bekannte treffen sich und neue Bekanntschaften werden hinzugewonnen. Die Internationalität etwa im Refektorium, dem großen Speisesaal, führt zu einem besonderen Sprachengewirr, man versucht, sich zu verständigen, mit welcher Sprache man es immer gerade schafft. Die gut zwei Wochen sind reichlich gefüllt mit einem abwechslungsreichen Programm, bei dem die Äbte auch die benediktinischen Stätten Subiaco, Montecassino und in Rom besuchen können. Einige waren vorher in Spanien, um dem katalonischen Benediktinerkloster Montserrat einen Besuch zu dessen 1.000-jährigem Jubiläum abzustatten. Für den 18. September ist zudem ein Treffen mit Papst Franziskus geplant.

Wie verständigen Sie sich?

Während der Treffen in der Aula, zu der das Kirchenschiff umfunktioniert wurde, sind zehn Übersetzer, von denen auch ich einer bin, in den Sprachen Deutsch, Englisch, Italienisch, Französisch und Spanisch unterwegs. Das ist schon eine ziemliche Herausforderung, vor allem wenn die Redner in ihrem Fluss den Übersetzern davonrasen. Im Chorgestühl der Kirche werden die Messe und das Stundengebet für alle gleich verständlich auf Latein gefeiert. 

Wie hierarchisch oder wie synodal läuft das Ganze?

Hierarchie ist eher weniger zu spüren. Die Äbte und Prioren begegnen sich hier auf brüderlicher Ebene. Natürlich braucht es bei den Sitzungen Moderatoren – und nicht zuletzt Übersetzer. Synodalität wird hier einfach durchgängig praktiziert.

Was sind Themen? Wie entwickelt sich die benediktinische Klosterwelt? 

Referate und Workshops zu einer Fülle von Themen wechseln sich ab. Dabei geht es nicht um akademische Erörterungen, sondern um lebenspraktische Hinweise und Gesprächsanstöße. In den 19 Kongregationen, in denen die Benediktinerklöster weltweit zusammengeschlossen sind, ist reichlich Nachwuchs in Ländern Lateinamerikas, Asiens und Afrikas zu verzeichnen. Dagegen leiden die Klöster in den USA und im westlichen Europa unter großem Nachwuchsmangel und unter dem Älter- und Kleinerwerden der Gemeinschaften. Um einen guten Umgang mit dieser Tatsache wird hier in Rom in Gruppengesprächen gerungen.

Auch ein neuer Abtprimas wird gewählt. Könnte das auch eine Frau sein? 

In der Tat geht der bisherige Abtprimas Gregory Polan nach acht Amtsjahren zurück in sein Heimatkloster Conception Abbey in den USA. Ein weiblicher Abtprimas steht – noch – nicht zur Debatte. In manchen Kongregationen wird darüber allerdings bereits diskutiert, etwa in der Beuroner Kongregation, zu der neben meinem Heimatkloster, der Abtei Gerleve, und anderen Männerklöstern auch Frauenkonvente gehören. 

Was sind die Aufgaben eines Abtprimas? 

Der Abtprimas ist Abt und einziger Mönch des Klosters Sant’Anselmo hier in Rom, alle anderen Mönche sind nur auf Zeit hier. Er ist gewählter Repräsentant des Ordens und sollte mit Blick auf eine ziemlich üppige Reisetätigkeit über gute Gesundheit, Sprachenkenntnisse und die Fähigkeit zur Kommunikation mit den Klöstern, Oberinnen und Oberen besitzen, ferner mit vielen Stellen im Vatikan. Sein Rat wird häufig eingeholt. 

Und wie wird er gewählt?

Nach der Vorstellung von Kandidaten besprechen sich die Mitglieder des Kongresses in Sprachgruppen, es wird eine Probewahl geben und Gespräche über deren Ergebnis. Dann folgen die Wahlgänge, so lange, bis ein neuer Primas feststeht. Er ist dann Abt von Sant‘ Anselmo und hat seinen ersten Wohnsitz in Rom. Ein einsamer Posten, zugleich mit ungeheuer vielen Kontakten weltweit.

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