Bilanz des Christentreffens in Erfurt

Eine Seelentankstelle, wenn auch klein - Katholikentag war kein Heimspiel

Anzeige

Als Seelentankstelle haben viele den Katholikentag in Erfurt bezeichnet. Kompakter und kleiner fiel er aus. Inhaltlich war er am Puls der Zeit. Eine Bilanz.

Am Ende ging dann doch nicht alles den Bach herunter, die Sintflut blieb in Erfurt aus. Den Katholikentag begleitete seit der Eröffnung die bange Sorge vor Unwettern. Der Wetterdienst hatte sie auch für die Thüringer Landeshauptstadt angekündigt. Doch Prognosen - ob für Wetter, Wahlen oder Katholikentage - können irren.

Manche Unkenrufer sahen angesichts des deutlich kompakteren Programms in Erfurt - 500 statt 1.500 Veranstaltungen - und den rund 23.000 Teilnehmenden das nahe Ende des Formats „Katholikentag“ gekommen. In der Tat markiert die Teilnehmerzahl einen Tiefpunkt. Aber letztlich ist es nur ein Spiegel der rasant sinkenden Kirchenmitgliederzahlen und auch dem Austragungsort geschuldet, wo Christen eben eine Minderheit von etwa 25 Prozent bilden. Es war kein Heimspiel in der katholischen Komfortzone.

Katholikentag: Das größte katholische Lagerfeuer

Was der Katholikentag in Erfurt gezeigt hat: Es ist immer noch das größte katholische Lagerfeuer in Deutschland, organisiert vom Zentralkomitee der Katholiken (ZdK). Kein anderes Format bietet Platz für so eine breite Palette unterschiedlicher katholischer Gruppierungen, anschaulich etwa auf der Kirchenmeile zu sehen. Sehr konservative Gruppen sind zwar klar in der Minderheit - auch das ist repräsentativ, aber sie sind da.

Kein anderes katholisches Format zieht noch so viele bundespolitische Spitzenpolitiker an, und das wohl nicht nur wegen des Superwahljahrs. Zweifelsohne nutzen sie den Katholikentag als Bühne. Was aber auch bedeutet: Diese Bühne hat für sie noch Relevanz. Weswegen die AfD vielleicht auch so über ihre erneute und nicht unumstrittene Nicht-Einladung murrte. CDU-Chef Friedrich Merz saß zwar auf keinem Podium, hielt aber auf dem Katholikentagsempfang der Adenauer-Stiftung eine programmatische Rede zur Friedenspolitik.

Mit dem Leitwort am Puls der Zeit

Mit dem Leitwort „Zukunft hat der Mensch des Friedens war der Katholikentag am Puls der Zeit. Zugleich überzeugte er viele mit einer guten Debattenkultur. Laut Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) vorbildhaft für die Gesellschaft. Beim Katholikentag bekomme man einen Eindruck davon, wie die Gesellschaft sein könnte, wenn sich alle mit Respekt begegnen, zuhören und ausreden lassen. In der Tat verlief das fünftägige Großevent abgesehen von ein paar Störern der Letzten Generation beim Podium mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) ohne nennenswerte Zwischenfälle. Entwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) rief die Christen auf, sich weiterhin für eine gerechtere Welt einzusetzen. Viele tolle Beispiele hier am Katholikentag zeigen, was man jetzt schon konkret bewirken kann. Und treiben Sie uns in der Politik weiter an in diesem Bereich.

Manche kritisieren, der Katholikentag sei zu politisch. Aber ohne die Politprominenz würde er wohl deutlich weniger wahrgenommen. Hinzu kommt, was der Magdeburger Bischof Gerhard Feige so formulierte: Wenn es grundsätzlich und konkret um die Würde und Freiheit eines jeden Menschen geht, die Achtung der Menschenrechte und das Gemeinwohl, den Frieden und die Bewahrung der Schöpfung, können und dürfen wir als Kirchen nicht schweigen.

Volle „Hütte“ bei Gebeten - eine Kontrasterfahrung

Was den Katholikentag aber auch ausmacht, ist das umfangreiche spirituelle Angebot, das sehr stark angenommen wird. Tausende hielten minutenlang still inne vor der imposanten Kulisse des erleuchteten Dombergs, als zum Abendsegen die mächtige Gloriosa-Glocke mit warmen, tiefen Schlägen läutete. Volle „Hütte“ bei Gebeten, Meditationen und stimmungsvollen Gottesdiensten - für viele eine positive Kontrasterfahrung zum Kirchenalltag daheim.

Viele Teilnehmende beschreiben den Katholikentag als Seelentankstelle. Er ist zugleich ein Treffen zur Selbstvergewisserung: Das Christentum hat weiter eine Strahlkraft, nach innen wie nach außen. Katholikentage wirken gegen eine Art Selbstverzwergung.

Katholikentag: Die Messlatte für Würzburg gelegt

 „Lagerfeuer“ heißt auch, dass man trotz unterschiedlicher Positionen zusammenrückt und damit der polarisierten Gesellschaft ein Vorbild gibt. Und Lagerfeuer heißt, dass es keine langen Wege gibt. Erfurt war für das Format Katholikentag auch insofern wegweisend: keine verloren wirkenden Mega-Podien in sterilen Messehallen. Stattdessen ein buntes Fest mitten in der Stadt und viel ökumenisches Miteinander. Die Messlatte für den nächsten Katholikentag 2026 in Würzburg ist gelegt. Zuvor steht 2025 in Hannover der Evangelische Kirchentag an.

Anzeige