Markus Gehling über die Notwendigkeit "grundstürzender Änderungen"

Kirche am Kipppunkt: Selbst der Synodale Weg springt zu kurz

Anzeige

Ein paar eher traditionelle Glaubensfestivals und Organisationsoptimierung klingen nach Aufbruch. Doch sie sind eher Krisenphänomene, sagt Markus Gehling im Gast-Kommentar. Und: Was wirklich dran ist.

In Kontext der Europawahlen gab es warnende Worte renommierter Wissenschaftler. Sie sprachen mit Blick auf den Klimawandel von nahen Kipppunkten und irreversiblen Entwicklungen. Die Menschen gehen mit diesem Szenario unterschiedlich um.

Einige hoffen auf Technik und Erfindergeist. Andere wählen die Klimakrise schlicht ab, folgen Parteien, die behaupten, man müsse oder könne gar nichts tun. Das sei alles nur grüne Panikmache, die Häufung von Krisen und Katastrophen eher Zufall.

Wir werden auf Konsum und Komfort verzichten müssen

Im Grunde ahnen wir, dass es ohne deutliche Veränderung unserer Lebensweise nicht gehen wird. Wir werden auf Konsum und Komfort verzichten müssen.

Schaut man sich in der katholischen Kirche um, so gibt es zwischen Klimawandel und Kirchenwandel frappierende Parallelen. In Kürze werden wir die aktuellen Kirchenaustrittszahlen erfahren. Auch wenn es diesmal kein neuer Rekord wird – wir erleben doch, dass es bröckelt und bröckelt.

Kirche über dem Kipppunkt

Der Autor
Markus Gehling ist Pastoralreferent in St. Peter und Paul Voerde mit eigenem Blog auf www.kreuzzeichen.blogspot.com.

Engagierte Leute verschwinden, treten sogar aus. Vor gar nicht langer Zeit waren sie noch mit Feuer und Flamme dabei. Freiwillige sind nur noch schwer zu gewinnen. Das Geld wird knapper. Man spürt allenthalben: Diese Kirche wird nicht bleiben.

Sie ist über den Kipppunkt längst hinaus. Einige glauben zwar, mit etwas Glaubensmechanik, moderner Katechese und zielgerichtetem Einsatz möglichst kirchentreuer Hauptamtlicher könne man den Grundwasserspiegel der Gläubigkeit wieder anheben.

Aufbrüche, die Krisenphänomene sind

Andere starren hoffnungsfroh auf die "Mehr-" und “Unum24-Konferenzen”, auf Gebetshaus Augsburg, Loreto-Bewegung, kirchentreue junge Priester oder die Tradis mit ihren vielen Weihen. Doch sind das nicht eher Krisenphänomene als Aufbrüche? Sehen wir hier nicht Sammlungsbewegungen für die engagierten Reste, die im normalen Kirchenbetrieb keine Heimat mehr finden? 

Viele setzen auf Verwaltungsoptimierung und Organisationsentwicklung: Wenn hier alles schnurrt wie ein Uhrwerk, dann würden schlummernde Kräfte bei Seelsorgern frei – Power, um pastorale Räume zu pflegen.

Kirche muss sich von Last befreien

Ich glaube das nicht. Es braucht einen echten Neuanfang, bei dem sich die Organisation Kirche von mancher Last befreit. Viele spüren, dass es grundstürzende Änderungen braucht, dass selbst der Synodale Weg zu kurz springt.

Die bittere Wahrheit ist: den allermeisten Menschen fehlt nichts ohne die Kirche. Und dramatischer noch: es fehlt ihnen nichts ohne den Glauben an den christlichen Gott. 

Ist uns die Dramatik der Lage wirklich klar? Wagen wir einen Neubeginn?

In unseren Gast-Kommentaren schildern die Autor:innen ihre persönliche Meinung zu einem selbst gewählten Thema. Sie sind Teil der Kultur von Meinungsvielfalt in unserem Medium und ein Beitrag zu einer Kirche, deren Anliegen es ist, die Zeichen der Zeit zu erkennen.

 

Anzeige