Klaus Hofmeister über Tips der Benediktsregel fürs "zu Grund gehen"

Kirche braucht mehr Demut und Wahrhaftigkeit - und weniger Brimborium

Anzeige

Haben die Verantwortlichen wirklich verstanden, worauf es ankommt, damit die Kirche wieder glaubwürdiger wird? Klaus Hofmeister stellt im Gast-Kommentar einen Schatz vor, den ein gerade erst ernannter Bischof dafür mitbringt.

Der neue Bischof von Osnabrück ist Benediktiner. Dominicus Meier möchte sein Amt im Geist der Regeln seines Ordens ausführen. Die Regel Benedikts (RB) ist anderthalb tausend Jahre alt. Sie ist bewährt und ein Schatz geistlicher Weisheit. Mit ihrer Hilfe kann man auch die augenblickliche Krise der Kirche in Deutschland besser verstehen. Man muss dazu das siebte Kapitel lesen, es gilt der Demut.

Demut heißt, wahrhaftig vor Gott stehen, lateinisch: „humiliter“, auf dem „Humus“, dem eigenen Grund stehen, keine Illusionen über sich zu haben. Jeder neue Untersuchungsbericht über Missbrauchsfälle ist in diesem Sinne Teil des „Zu-Grunde-Gehens“, des Demutsweges der Kirche. „Jetzt ist die Zeit der Wahrheit“, sagte Bischof Bätzing.

Kirche auf der Demutsleiter

Für Benedikt ist die Demut zentral. „Wenn ich nicht demütig gesinnt bin und mich selbst erhebe, was dann?“ fragt er (RB 7,4) und antwortet: „Du behandelst mich wie ein Kind, das die Mutter nicht mehr an die Brust nimmt.“ 

Vielleicht ist die Kirche derzeit geistlich so karg, abgeschnitten von der Wärme, der Nahrung der Mutter, weil Demut und Wahrhaftigkeit fehlten?

„Durch Selbsterhöhung steigen wir hinab – durch Demut hinauf“

Wenn man sich klar macht, wie triumphal sich die Kirche traditionell gibt: die hohen Hüte der Bischöfe, die sie über andere erheben sollen, die Gewänder, goldene Kreuze und Ringe, Ehrentitel, üppige Repräsentation, das ganze überkommene, aus der Zeit gefallene „Brimborium“ (Zitat Bischof Kamphaus), dann frage ich mich: Ist das nicht die der Kirche zutiefst eingefleischte „Selbsterhöhung“, von der die Benediktsregel spricht? „Durch Selbsterhöhung steigen wir hinab und durch Demut hinauf.“ (RB 7,7)

Zwölf Stufen hat die Leiter der Demut. Wo die Kirche in der Aufklärung ihrer Schuldgeschichte Wahrheit wagt, hat sie gerade einmal die fünfte Stufe erreicht: „Mein Vergehen tat ich dir kund und meine Ungerechtigkeit habe ich dir nicht verborgen.“ (RB 7,47)

„Niedriger und geringer als alle“

Der Autor
Klaus Hofmeister ist katholischer Diplom-Theologe und Redakteur für Kirche und Religion beim Hessischen Rundfunk. Er lebt in Kahl am Main.

Aber die sechste Stufe der Demut ist in der Kirche Deutschlands schon zu erahnen. Denn schon winken Politiker ab, wenn es darum geht, Rücksichten zu nehmen auf die speziellen kirchlichen Vorstellungen vom Arbeitsrecht oder bezüglich der Frauengerechtigkeit. 

Und mit den Austrittszahlen rutscht die Kirche unaufhaltsam in die Minderheit. Ohne Vertrauen der Menschen ist die sechste Stufe der Demut (RB 7,49) da: „Zu nichts bin ich geworden und verstehe nichts; wie ein Lasttier bin ich vor dir und bin doch immer bei dir“. Was man beobachtet und rational feststellt, sinkt in die Tiefe kirchlicher Erkenntnis auf der siebten Stufe der Demut: „Der Mönch erklärt nicht mit dem Mund, er sei niedriger und geringer als alle, sondern glaubt dies auch aus tiefstem Herzen.“

„…bis er gefragt wird.

Äußere Ehre, Selbstüberhebung kirchlicher Amtsträger werden enden, auch die Überheblichkeit, die darin liegt, immer alles besser zu wissen und seine Weisheiten auch zu verbreiten, wenn niemand danach gefragt hat. Auf der neunten Stufe der Demut, heißt es, hält der Mönch „seine Zunge vom Reden zurück, verharrt in der Schweigsamkeit und redet nicht, bis er gefragt wird.“ (RB 7,56)

Und vielleicht werden wir dann eines Tages erleben, wie die Kirche und ihre Repräsentanten schließlich, auf der zwölften Stufe der Demut, gelernt haben, die Worte des Zöllners im Herzen zu haben „Herr, ich bin nicht würdig, meine Augen zum Herrn zu erheben“. (RB 7,65)

Notwendiger Prozess des „Niedergangs“

Die Missbrauchsgutachten zeigen, wie viel Elend entstanden ist, als die Kirche nur sich selbst sehen wollte, ihren Ruf, ihren Glanz, dass der nicht beschädigt wird. In dem augenblicklich stattfindenden Prozess des Niedergangs auf der Stufenleiter der Demut wird die Kirche mit ihrer eigenen Wahrheit konfrontiert. 

Sinn und Ziel dieses Prozesses kann nur sein, wieder auf Augenhöhe mit den Menschen zu kommen, vor allem den Opfern, denen „da unten“, die so oft übersehen wurden. Und aufzuhören, sich als etwas Besseres zu fühlen. 

In unseren Gast-Kommentaren schildern die Autor:innen ihre persönliche Meinung zu einem selbst gewählten Thema. Sie sind Teil der Kultur von Meinungsvielfalt in unserem Medium und ein Beitrag zu einer Kirche, deren Anliegen es ist, die Zeichen der Zeit zu erkennen.

Anzeige