Kirche+Leben-Interview mit Benediktiner Jeremias Schröder

Neuer Abtprimas: Gemeinschaft und Vielfalt funktionieren - im Kloster

Anzeige

Gerade endete in Rom der internationale Äbtekongress der Benediktiner. Der neue oberste Repräsentant des Ordens, Abtprimas Jeremias Schröder, sagt im Kirche+Leben-Interview, welche Impulse Klöster auch Gläubigen, Gemeinden, Weltkirche geben können.

Abtprimas Jeremias, Sie haben nach Ihrer Wahl von Ihrer Leidenschaft für das „weltweite Mönchtum und seinen Dienst für die Kirche“ gesprochen. Was macht diesen Dienst heute so aktuell, so wichtig?

Auch in Regionen, wo die generelle Zustimmung zur Kirche stark sinkt, wie bei uns in Deutschland, werden unsere Klöster im Allgemeinen sehr positiv erlebt. In den Zeiten des Umbruchs der kirchlichen Strukturen bieten sie vielen Menschen Halt. Der Glaube ist da konkret verortet, zum Anschauen und zum Mitleben.

Das benediktinische Mönchtum ist das älteste bestehende in der römisch-katholischen Kirche. Was ist an Tradition unverzichtbar, wo ist Erneuerung notwendig?

Unser Orden ist extrem vielfältig, und in den Klöstern werden diese Fragen ganz unterschiedlich beantwortet. Auf dem Äbtekongress, der gerade zu Ende gegangen ist, haben wir beschlossen, das Jahr 2029 gerade auch dieser Frage zu widmen. Im Jahr 529 hat der heilige Benedikt nach der Tradition das Kloster auf dem Montecassino gebaut. Wir wollen im Vorfeld dieser 1.500-Jahr-Feier ernsthaft darüber nachdenken, wie unsere kostbare Überlieferung für die Zukunft wieder fruchtbar gemacht werden kann.

Die große Welt der Benediktiner besteht aus selbstständigen Gemeinschaften, die aber doch durch die Regel des heiligen Benedikt verbunden sind. Was kann diese Spannung die gesamte Kirche lehren – etwa im Zueinander von Bistümern, römischer Zentrale und Weltkirche?

Die Klöster in unserem Orden sind sehr unterschiedlich. Das geht von großen Universitätszentren in den USA bis zu kleinen Bergklöstern in Frankreich, die ganz auf Lateinisch beten. Eine Botschaft aus unserer Ordenserfahrung ist sicher: Man kann versöhnt und brüderlich miteinander leben und trotzdem große Verschiedenheit zulassen.

Welche Aufgabe sehen Sie für sich als Abtprimas am drängendsten?

Weil der Abtprimas kaum konkrete Machtbefugnisse hat, stützt sich seine Rolle vor allem auf gute Kommunikation. Als Erstes möchte ich die Art und Weise stärken, wie wir als weltweite Familie von Klöstern miteinander vernetzt bleiben können.

Sie waren schon als Abtpräses einer internationalen Kongregation viel in Asien und Afrika unterwegs, wo die Kirche wächst. Was haben Sie in Ihrem bayerischen Heimatkloster davon gelernt?

Wenn man viel gesehen hat, weiß man, dass es auch anders gehen kann, als wir uns das normalerweise so vorstellen. Das erzeugt eine gewisse Flexibilität, und die hat uns sicher immer wieder geholfen, mit neuen Herausforderungen zurecht zu kommen. Andererseits lernt man aber auch: Erfolgreiche Rezepte lassen sich nicht so einfach übertragen. Das hat ja immer auch kulturelle Grundlagen. Wenn man die nicht berücksichtigt, laufen auch gutgemeinte Transfers in Leere.

Auch den Orden in Deutschland geht es nicht gut, und doch sehen sich viele Menschen von klösterlicher Spiritualität angezogen. Was können Klöster heute den Menschen geben, was der Kirche in Deutschland?

Klöster sind Orte, keine Verwaltungsterritorien. Denjenigen, die in den Pfarrumstrukturierungen dieser Zeit heimatlos werden, bieten diese Klosterorte einen stabileren Anker, zum Beten und Feiern und Trauern, vielleicht sogar als Ort der Taufe oder der Beerdigung. Ich wünschte mir, dass das nicht nur als Konkurrenz gesehen wird, sondern dass es dafür Wertschätzung gibt als einen kirchlichen Dienst.

Ein Zweites: Klöster sind im Allgemeinen „resilient“ – sie überstehen auch Widrigkeiten. Das ist vielleicht ein Vorbild für viele, die in diesen Zeiten die Flinte ins Korn werfen wollen.

Jeremias Schröder (59) ist seit dem 14. September Abtprimas des Benediktinerordens mit Sitz in Rom. Zuvor war er Leiter (Abtpräses) der Kongregation der Missionsbenediktiner von St. Ottilien, von 2000 bis 2012 Erzabt des Stammklosters St. Ottilien am Ammersee. | mn

Anzeige