Michael Rottmann zu sportlicher Gerechtigkeit

Olympische Spiele in Paris: Warum Medaillenspiegel unfair sind

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Die nach den gewonnenen Gold-, Silber- und Bronzemedaillen sortierte Länderliste bei den Olympischen Spielen ist fragwürdig, sagt Michael Rottmann. Seine Kritik: Sie vergleiche Äpfel mit Birnen.

Die bevorstehende Abschlussfeier der Olympischen Spiele in Paris ist ein guter Zeitpunkt, um über Erfolg zu sprechen. Zum Beispiel darüber, welches denn nun die erfolgreichsten Nationen bei den Spielen waren.

So einfach und eindeutig ist das nämlich gar nicht zu messen. Beim sogenannten Medaillenspiegel etwa kommt es auf die Zählweise an, und das ist beileibe nicht sein einziges Manko.

Die USA addieren einfach alle Medaillen

In den USA zum Beispiel – und nur dort – rechnet man beim Ländervergleich ohne Unterschied zwischen Gold, Silber und Bronze einfach alle gewonnenen Medaillen einer Nation zusammen und stuft die Länder danach ein. Was 2008 nach den Spielen in Beijing dazu führte, dass sich die Vereinigten Staaten mit 112 Medaillen daheim zum erfolgreichsten Land ausrufen konnten.

Im Rest der Welt führte China mit 51 Goldmedaillen (USA: 36) die Tabelle an. Denn: Außerhalb der USA ist zunächst die Anzahl der Goldmedaillen entscheidend und nur bei Gleichstand die der silbernen und dann der bronzenen.

Medaillenspiegel: Große und reiche Nationen werden bevorzugt

So trefflich sich über den Sinn oder Unsinn der einen wie der anderen Zählweise streiten lässt, so klar ist auch: Fragwürdig sind beide. Denn welchen Sinn hat es schon, sich jeden Morgen bei der Tageszeitungslektüre vorführen zu lassen, wie die reichen und großen Nationen der Erde die Kuchenstücke unter sich aufteilen?

Große Erfolge wie der von Hugues Fabrice Zango gehen da schnell unter. Der Athlet aus Burkina Faso war 2020 mit seiner Bronzemedaille im Dreisprung der bis dahin einzige Medaillengewinner seines Landes bei Olympischen Spielen. Burkina Faso war mit gerade mal sieben Sportlern nach China gereist. Oder sollte man sagen: Immerhin! Denn es zählt zu den ärmsten Ländern der Welt.

Wo bleiben Kriterien wie Größe oder Wirtschaftskraft?

Wenn man schon mit einem Medaillenvergleich das Motto „Dabeisein ist alles“ hintanstellt – wäre es da nicht gerechter, die Erfolge eines Landes ins Verhältnis zu seiner Größe oder seiner Wirtschaftskraft zu setzen? Wo die führenden Nationen nicht USA oder China, sondern vielleicht Ghana, Malawi oder eben Burkina Faso heißen würden. Das wäre deutlich fairer. Und um Fairness geht es doch bei Olympia auch, oder?

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