Jens Joest zum Vorgehen des IOC bei den Spielen von Paris

Falsche Kriterien beim Olympia-Ausschluss russischer Sportler

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Nur 15 russische Sportlerinnen und Sportler nehmen an den Olympischen Spielen in Paris teil. Was ein Zeichen gegen den Angriff auf die Ukraine sein soll, verunglückt als pauschale Symbol-Strafe - weil das IOC nach ziemlich fragwürdigen Kriterien aussiebt, findet Jens Joest.

Sport ist politisch. Erinnert sei an staatlich verordnetes Doping im Ostblock, das das Bild des überlegenen Sozialismus bestärken sollte. Oder daran, wie autoritäre Regime gut organisierte Sport-Events und Erfolge dazu nutzen, von prekärer Menschenrechtslage und anderen Problemen im eigenen Land abzulenken.

Doch wo soll, wo kann der Sport einschreiten? Vor den Spielen in Paris hat das Internationale Olympische Komitee (IOC) vor allem auf Russland geschaut.

Verträge mit den russischen Streitkräften?

Es lässt nur 15 Sportlerinnen und Sportler mit russischer Staatsbürgerschaft zu. Wer den Angriffskrieg auf die Ukraine in öffentlichen Aussagen – etwa in Social-Media-Posts – unterstützt, oder wer einen Vertrag mit den Streitkräften hat, ist nicht dabei.

Der zweite Punkt ist heikel. Viele russische Sportler trainieren im Armeesportverein ZSKA. Zudem ist es für Sportlerinnen und Sportler fast unmöglich, sich ohne finanzielle Hilfe der staatsnahen Sportverbände auf internationale Wettkämpfe vorzubereiten.

Das IOC hat nur bei Russland so genau geprüft

Doch soll jemand ausgeschlossen werden, der sich nicht öffentlich politisch äußert und nur damit umgehen muss, dass finanzielle und Trainingsbedingungen im eigenen Land so sind, wie sie sind? Der bei der Armee trainiert, aber nie im Kriegseinsatz war?

Hinzu kommt: Hingeschaut hat das IOC beim Angriff auf die Ukraine, der in Europa und den USA stark beachtet wird. Was aber ist mit anderen kriegführenden Ländern, deren Angriffe es kaum je in die Nachrichten schaffen?

Präzise statt pauschal sanktionieren

Ein ungutes Gefühl beim Vorgehen des IOC bleibt. Gelten für alle Athleten und Länder dieselben Maßstäbe? Hat man nur bei Russland genau geprüft? Selbst dort sind die Kriterien fragwürdig. Womöglich werden Sportler ausgeschlossen, die eher Opfer der Umstände als eigener Taten sind.

Wer in öffentlichen Aussagen völkerrechtswidrige Kriege unterstützt, womöglich selbst mitgekämpft hat – solche Sportlerinnen und Sportler von friedlichen Wettkämpfen zu verbannen, ist nachvollziehbar. Ausschlussgründe darüber hinaus drohen zu unbelegter Symbolpolitik zu werden.

Es hätte dem völkerverbindenden und friedensstiftenden Anspruch der Olympischen Spiele eher gedient, weniger pauschal, sondern präzise zu sanktionieren.

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