Ein Wort, ein Bild, ein Gedanke - von Beatrice von Weizsäcker

Sichtweisen (9): TRAUMTÄNZER

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Tief, ganz tief hinab und hinein ins Innerste: Diesen unheimlichen Weg führt der Schlaf die Seele. Und lässt sie mitunter vom Größten träumen.

Ich träume oft. Auf meinem Nachtkastl liegen Stift und Zettel, damit ich gleich notieren kann, worum es ging. Immer wieder wache ich morgens auf und wundere mich, was da steht.

Viele Menschen waren lange überzeugt, Träume seien Ahnungen oder Botschaften von Göttern. Metaphysiker sagten, sie basieren auf dem Glauben an die Seele und den Geist. Für Sigmund Freud, den Urvater der Traumdeutung, war all das Unsinn. Er behauptet, Träume offenbarten unterbewusste Wünsche.

Vielleicht stimmt ja alles ein bisschen. Je nachdem.

Blick ins Gelobte Land

„I have a dream!“ Acht Mal rief Martin Luther King seinen Satz in die Menge der 250.000 Menschen, die ihm zuhörten. Es war wie ein Schrei der Seele. Fünf Jahre später hielt er wieder eine berühmte Rede. Er habe das Promised Land gesehen, sagte King. Er fürchte niemanden. „Meine Augen haben die Herrlichkeit des Herrn gesehen!“ 

Das war eine klare Anspielung auf Mose, dem Gott das Gelobte Land gezeigt und gesagt hatte: Ich habe es dich mit deinen Augen schauen lassen. Hinüberziehen wirst du nicht. Mose starb darauf. – King wurde am Tag nach seiner Rede erschossen. Und seine Worte klangen wie eine Prophezeiung.

SICHTWEISEN
Ein Wort, ein Bild, ein Gedanke – das sind die „Sichtweisen“, die einmal in der Woche ins Nachdenken bringen wollen, Welten eröffnen, Leben entdecken, Gott suchen helfen. Menschenlebensnah und gottverbunden. Jeder Monat wird von einer Autorin oder einem Autoren textlich gestaltet; die Redaktion von Kirche+Leben sucht zu dem jeweiligen Stichwort frei ein Foto.

Vielleicht hatte King ja tatsächlich etwas geahnt. Gläubig war er jedenfalls.

Wovon die Bibel träumt

Auch die Bibel steckt voller Träume. Der Josef des Alten Testaments träumte von sieben fetten und sieben mageren Jahren. 

Dem Josef des Neuen Testaments erschienen Engel im Traum. Der eine nahm ihm die Sorge, dass das Kind nicht von ihm stammt: Josef, Sohn Davids, fürchte dich nicht, Maria als deine Frau zu dir zu nehmen; denn das Kind, das sie erwartet, ist vom Heiligen Geist. Der andere gebot ihm, mit Maria und dem Kind nach Ägypten zu fliehen. Er tat es und rettete sie.

Jakobs Traum von einer Leiter bis in den Himmel

Den schönsten Traum aber hatte Jakob. Er träumte von der Himmelsleiter. Er sah eine Treppe, die auf der Erde stand und bis zum Himmel reichte. Auf ihr stiegen Engel Gottes auf und nieder. Und siehe, der Herr stand oben und sprach: Ich bin der Herr, der Gott deines Vaters Abraham und der Gott Isaaks. Das Land, auf dem du liegst, will ich dir und deinen Nachkommen geben. Als Jakob erwachte, wusste er, dass der Ort, an dem er geschlafen hatte, „nichts anderes als das Haus Gottes und das Tor des Himmels“ war. (Gen 28,12 ff)

Schön ist der Traum wegen der Leiter. Und der Engel. Schön wegen des Himmels. Vor allem aber wegen der Zusage Gottes: Siehe, ich bin mit dir, ich behüte dich, wohin du auch gehst, und bringe dich zurück in dieses Land. Denn ich verlasse dich nicht, bis ich vollbringe, was ich dir versprochen habe.

Traum vom Glück

Einmal habe ich vom Glück geträumt. Es passierte nichts, es ging nur ums pure, abstrakte Glück. Alles war vollkommen.

Der Traum hätte genauso gut von der Himmelsleiter handeln können. Und den Engeln, die wie glückliche Traumtänzer die Leiter rauf- und runterschweben, um mir den Weg zu weisen. Zu Gott und seinem Segen: Siehe, ich bin mit dir, ich behüte dich, wohin du auch gehst …

So etwas muss ich nicht aufschreiben. Das glaube ich.

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