Kirche+Leben-Interview zwei Monate nach dem Eklat im Ständigen Rat

Bischöfe lehnten sie ab: So denkt Viola Kohlberger heute darüber

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Dieser Paukenschlag hallt bis heute nach: Vor zwei Monaten lehnten die Bischöfe Viola Kohlberger als DPSG-Kandidatin für das Amt der Bundeskuratin ab. Im großen Kirche+Leben-Interview sagt die junge Theologin offen, wie es ihr damit ging – und was sie vorhat.

Frau Kohlberger, rund zwei Monate sind vergangen, seit bekannt wurde, dass die Bischöfe Sie als Kandidatin für das Amt der Bundeskuratin bei der DPSG ablehnen. Wie geht es Ihnen heute mit dieser Entscheidung? 

Ich kann die Entscheidung immer noch nicht nachvollziehen. Vor allem, weil ich weiß, dass ich alle Qualifikationen erfüllt habe. Die Bischöfe haben weiterhin keine Begründung geliefert. Aber die Ohnmacht ist etwas gewichen. Ich fühle mich nicht mehr so ausgeliefert, wie noch vor zwei Monaten, wo es mir den Boden unter den Füßen weggezogen hat. Ich habe immer noch keine Berufsperspektive, aber es geht mir besser damit als vor acht Wochen. 

Wie haben Sie von der Entscheidung der Bischöfe erfahren?

Ich wusste, dass am 20. April im Ständigen Rat eine Entscheidung fallen würde. Am Abend haben der Bundesvorstand der DPSG und ich dann eine Mail unseres Kontaktbischofs Michael Gerber (Fulda) mit dem Ergebnis erhalten. Herr Gerber hat uns sofort ein Gesprächsangebot gemacht und erklärt, gut nachvollziehen zu können, dass uns diese Entscheidung hart treffen würde. Direkt am nächsten Tag haben wir dann gesprochen. Die Tage danach waren auch emotional schlimm für mich.

Was passierte zwischen Ihrer Bewerbung und der Entscheidung durch die Bischöfe? 

Der Streit um Viola Kohlberger
Viola Kohlberger sollte Bundeskuratin, also geistliche Begleitung der Deutschen Pfadfinderschaft St. Georg (DPSG) werden. Sie war die einzige Kandidatin. Dafür ist eine absolute Mehrheit im Ständigen Rat der Deutschen Bischofskonferenz erforderlich, die Kohlberger nicht erreichte. Gründe dafür sind offiziell nicht bekannt. Die Deutsche Bischofskonferenz möchte sich in der Personalfrage nicht äußern. Beobachter werten die Ablehnung als Retourkutsche für Äußerungen Kohlbergers bei Delegiertenversammlungen des Synodalen Wegs, wo sie unter anderem Kardinal Rainer Maria Woelki und den Regensburger Bischof Rudolf Voderholzer kritisierte. Der Fall entfachte eine neue Debatte über die Macht der Bischöfe in Deutschland. | phi.

Ich hatte ein Bewerbungsgespräch mit Michael Gerber im Februar, am ersten Tag der Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz in Augsburg. Das dauerte etwa eine Stunde. Wir haben auch darüber gesprochen, dass nicht alle Bischöfe gut auf mich zu sprechen sind. Ich hatte neben der Auseinandersetzung mit Rainer Maria Woelki (Köln) auf dem Synodalen Weg auch Probleme mit Rudolf Voderholzer (Regensburg). Das hatte ich vor allem auf Instagram öffentlich gemacht. Durch die Medien ging das kaum. 

Während des Bewerbungsprozesses waren diese Auseinandersetzungen weiterhin ein großes Thema. Deshalb war es mir wichtig, alle Qualifikationen einwandfrei nachzuweisen. Ich habe neben meinen üblichen Bewerbungsunterlagen weitere Unterlagen nachgereicht: Ein Empfehlungsschreiben von meinem Doktorvater, ein Empfehlungsschreiben vom Verbändereferenten in Augsburg und ein Arbeitszeugnis meines aktuellen Dienstgebers, des Bistums Augsburg. Ich habe Schwarz auf Weiß, dass ich alle formalen Kriterien erfülle.

Was dann allerdings ungewöhnlich war: Ich wurde zu einem weiteren Gespräch mit dem Leiter der Arbeitsstelle für Jugendseelsorge, einer Einrichtung der Deutschen Bischofskonferenz eingeladen. Ich wollte bereits im Vorfeld alle Zweifel ausräumen. Deshalb habe ich alle Gespräche wahrgenommen, alle Unterlagen eingereicht.

DPSG und ZdK wollen nun, dass die Verfahrensordnung geändert werden soll. Hat das aus Ihrer Sicht Aussicht auf Erfolg? 

Grundsätzlich ist es sinnvoll, dass Qualifikationen geprüft werden. Es sollte aber auf keinen Fall möglich sein, dass Bischöfe nach persönlichen Präferenzen die Kandidat*innen auswählen. Es gibt die Idee, die künftigen Entscheidungen für die Jugendverbände in die Hände der Jugendkommission zu verlegen. Das ist nach meinem Kenntnisstand die Idee von unserem Kontaktbischof Michael Gerber und dem Jugendbischof Johannes Wübbe. Die Frage ist natürlich, ob es auch ganz ohne die Bischöfe ginge. Aktuell haben wir mit Bischof Gerber einen wirklich guten Kontaktbischof, der immer mit uns im Gespräch bleibt. Aber das kann sich natürlich auch mit einer Änderung der Zuständigkeiten bei den Bischöfen wieder komplett ändern.

Das ZdK hat sich auf seiner Vollversammlung mit Ihrem Fall beschäftigt. Einige sagten, mit dem Nein in der geheimen Abstimmung hätten die Bischöfe Sie auch persönlich beschädigt. Wie sehen Sie das?

Ehrlich gesagt weiß ich gar nicht, ob es mich so sehr beschädigt hat. Klar, wenn man in die Suchmaschine meinen Namen eingibt, bin ich kein unbeschriebenes Blatt mehr. Wie das künftige nicht-kirchliche Arbeitgeber*innen bewerten, kann ich nicht einschätzen.

Das Veto hat mir hunderte neuer Follower auf Instagram geschenkt, worüber ich mich sehr freue, aber ich hätte viel lieber den Job bei der DPSG bekommen als die Reichweite. Innerkirchlich gibt diese Bekanntheit meiner Stimme nun mehr Gewicht. Und das wollten doch die Bischöfe, die mich abgelehnt haben, bestimmt nicht. Also: Diese Frage ist schwer zu beantworten.

Stichwort künftiger Arbeitgeber: Stellte sich Ihnen nach dem Veto der Bischöfe die Frage, ob Sie in der Kirche weiterhin arbeiten können? 

Ich habe mir nicht zum ersten Mal die Frage gestellt, ob ich noch Mitglied dieser Institution bleiben kann und sie damit stütze. Und das ist die Grundlage für die Frage, ob ich weiterhin haupt- oder ehrenamtlich in der Kirche arbeiten will. Mir ist beim Synodalen Weg sehr, sehr klar geworden, dass jedes Mitglied diese Struktur weiterhin stützt und damit die Macht der Bischöfe. Gerade auch die schweigenden Mitglieder. Als Delegierte des Synodalen Weges glaubte ich anfangs an die Chance auf Reformen. Heute denke ich: Reformieren geht nicht mehr, aber ich kann noch da sein und ich kann laut sein.

Als Bundeskuratin der DPSG wollte ich bewusst und für Kirche arbeiten und einen sicheren Ort der Kirche innerhalb des Verbandes schaffen. Ansporn für die Kandidatur war sicherlich auch, mit 85.000 Mitgliedern im Rücken kirchenpolitisch etwas bewegen zu können. 

Ist also die Frage ungeklärt?

Kirche bleibt immer meine Heimat. Aber ich weiß nicht, ob die Institution meine Heimat bleibt. Ich bin gläubig, ich bin katholisch und fühle mich sehr wohl in der Gemeinschaft der Gläubigen. Ich glaube aber, dass es auch ohne diese Institution funktionieren könnte. Aber natürlich nicht ganz so bequem. 

Wie meinen Sie das? 

Es gibt Gewohnheiten, die total schön sind. In manchen Gottesdiensten fühle ich mich sehr wohl. Oder die Katholik*innentage. Das ist genau meine Bubble. Ich kenne super viele Menschen, ich habe da viele Freund*innen. Und das würde bei einem Austritt ja erstmal ein bisschen wegfallen. 

Wie geht es beruflich mit Ihnen weiter?

Aktuell wiege ich mich noch etwas in beruflicher Ungewissheit. Ich werde jetzt erstmal meine Promotion in Kirchengeschichte zu Ende bringen. Bis zum Herbst läuft auch mein Amt der Geistlichen Leitung bei der DPSG Augsburg, eine Viertelstelle. Ich werde nicht erneut kandidieren. Auf keinen Fall werde ich in den pastoralen Dienst in Deutschland gehen. Vielleicht geht es für mich in die Schweiz.

Warum die Schweiz? 

In der Schweiz sind die Strukturen, je nach Bistum, freier als in Deutschland. Es gibt dort mehr Mitspracherecht, mehr Synodalität. Vielleicht werde ich auch einfach Archivarin oder Lehrerin. Ich habe Lehramt für Mittelschulen studiert. Ich müsste nur noch das Referendariat machen.

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