Betroffener berichtet von seelischen Schäden

Bußakt im Petersdom: Kirche bekennt Schuld - auch für Missbrauch

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Für den Vorabend der Weltsynode hat Papst Franziskus einen ungewöhnlichen Akt angeordnet: Spitzenvertreter der Kirche haben öffentlich Schuld bekannt – auch in Bezug auf den Missbrauch.

In einem Bußakt haben Spitzenvertreter der katholischen Kirche unter Führung von Papst Franziskus Schuld der Kirche bekannt. Erstmals baten sie dabei auch öffentlich Gott und die Menschheit um Vergebung wegen des Versagens der katholischen Kirche im Umgang mit Fällen sexuellen Missbrauchs durch Geistliche. Die gottesdienstliche Feier fand am Dienstagabend im Petersdom statt, am Vorabend der Eröffnung einer vierwöchigen Weltsynode zur Erneuerung der katholischen Kirche.

Ähnlich wie beim historischen Bekenntnis der Sünden der Kirche im Lauf ihrer langen Geschichte, die im Jahr 2000 stattfand, verlasen auch diesmal mehrere Kardinäle nacheinander einzelne Schuldeingeständnisse. Jeder Beitrag enthielt den Satz: „Ich bitte um Vergebung und schäme mich“.

Missbrauch: Betroffener berichtet von seelischen Schäden

Zuvor hatte unter anderem ein Mann, der als Minderjähriger missbraucht worden war, von den schweren seelischen Schäden berichtet, die durch die Taten und ihre Vertuschung bei den Opfern entstehen. Das Schuldbekenntnis in Bezug auf Missbrauch durch Geistliche trug der US-amerikanische Kardinal Sean O'Malley vor, der über viele Jahre die Päpstliche Kinderschutzkommission geleitet hatte.

Neben dem Versagen beim Umgang mit sexuellem oder geistlichem Missbrauch bekannten die Kardinäle Schuld unter anderem bei der Mitwirkung von Christen an Umweltzerstörung, Kolonialismus und Sklaverei. Das Versagen von Männern in der Kirche beim Einsatz für die Würde der Frauen wurde genannt, ebenso die Unterdrückung und Ausbeutung von Ordensfrauen. Jedes Schuldbekenntnis wurde von einer gesungenen Anrufung der Barmherzigkeit Gottes begleitet.

Papst: Schuldbekenntnis soll Vertrauen in die Kirche wiederherstellen

In seiner Ansprache zum Abschluss betonte Papst Franziskus: „Wir können nicht mehr den Namen Gottes anrufen, ohne zuvor die Brüder und Schwestern und die Erde und alle Kreaturen um Verzeihung zu bitten.“ Weiter sagte er: „Wir müssen uns fragen, welche Verantwortung wir haben, wenn es uns nicht gelingt, dem Bösen mit dem Guten Einhalt zu bieten.“ Am Vorabend der Weltsynode sei das Schuldbekenntnis „eine Gelegenheit, das Vertrauen in der Kirche und das Vertrauen in die Kirche wiederherzustellen, das durch unsere Fehler und Sünden zerbrochen wurde, und die Wunden zu heilen, die noch immer bluten, und die Fesseln des Unrechts zu lösen.“

Die Feier fand in ruhiger, konzentrierter Atmosphäre im nicht ganz voll besetzten Petersdom statt. Papst Franziskus, der eine lila Stola trug, wie sie Priester beim Hören der Beichte umlegen, folgte den Zeugnissen mit ernster Miene und häufig gesenktem Blick. Nach den Ausführungen der Frauen und Männer gab es Beifall von den Anwesenden im hinteren Bereich des Petersdoms, auch einige der anwesenden Bischöfe und Kardinäle in der applaudierten. Vor der Feier hatte die deutsche Initiative „Eckiger Tisch“ in einer Pressemitteilung kritisiert, dass der Bußakt ohne Mitwirkung von Betroffenen geplant worden sei.

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