Sophia Möller über den Umgang mit Rechtspopulisten

Der AfD Grenzen setzen: Lasst uns Vorbilder in Demokratie sein!

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Der hohe Anteil von AfD-Wählern unter jungen Wählenden bei der EU-Wahl erschüttert auch viele junge Leute, etwa Sophia Möller im neuen Kirche+Leben-Format “Der junge Kommentar”. Was können kirchliche Jugendverbände tun?

„Frau Möller, ich bin müde und ich weiß nicht, wie ich das alles noch weiter schaffen soll!“ Diese Worte richtete eine Schülerin an mich, als wir im Unterricht über die Ergebnisse der Europawahl sprachen. Dabei bezog sich die Schülerin besonders auf das Wahlverhalten der jungen Wähler und drückte ihre Unzufriedenheit mit den 17 Prozent aus, die die AfD bei diesen erreichte. Diese Worte stimmen mich sehr nachdenklich.

Die großen Fragen sind, wie wir als Gesellschaft zukünftig mit diesen Ergebnissen umgehen werden und was diesem Wahlverhalten zu Grunde liegt. Auch wir als Kirche und vor allem die katholischen Jugendverbände müssen uns intensiv mit diesen Fragen beschäftigen. Dabei müssen wir selbstkritisch sein. Was haben wir in der Vergangenheit falsch gemacht, dass wir viele junge Menschen nicht mehr erreichen können? Welche Fehler in der Kommunikation haben wir gemacht, dass die Spaltung der Gesellschaft so rapide zugenommen hat?

Auch wir sind manchmal müde

Link zur Sinus-Jugendstudie 2024.

Klare Antworten habe ich nicht. Gründe gibt es viele und diese werden wissenschaftlich erhoben. Die Ergebnisse der Sinus-Jugendstudie 2024 zeigen, dass Jugendliche besorgter denn je seien, sich oft von Erwachsenen nicht verstanden fühlen und nach mutigen Vorbildern streben würden.   

Lasst uns zu diesen Vorbildern werden! Lasst uns ihnen zeigen, dass wir manchmal auch müde sind, es gemeinsam aber trotzdem schaffen. Eine Demokratie erzeugt viele Mühen und Lasten, die wir gemeinsam tragen müssen.

Hilft es, wenn wir von “Nazis” sprechen?

Dabei ist die Kommunikation der Dreh- und Angelpunkt: Hilft es der Gesellschaft wirklich, wenn wir AfD-Wähler direkt als „Nazis“ bezeichnen? Hilft es, dass wir Werbekampagnen unterstützen, die den Slogan „Wählen ist wie Zähneputzen, machst du es nicht, wird es braun“ nutzen?

Die Autorin:
Sophia Möller ist 26 Jahre alt und Lehrerin an einem ländlichen Gymnasium mit den Fächern Deutsch und Geschichte. Sie war viele Jahre lang Vorsitzende des BDKJ Landesverband Oldenburg und ist weiterhin parteipolitisch engagiert.

Versteht mich nicht falsch, ich habe in den vergangenen Jahren diese Aktionen immer unterstützt und stehe auch vollkommen hinter der Kernbotschaft. Allerdings greifen diese Aktionen die Ursachen des Wahlverhaltens der jungen Menschen nicht auf, die besonders die Zielgruppe dieser Social-Media-Aktionen sind.

Populismus hilft nicht gegen Populismus

Wenn wir der AfD und anderen rechtsextremistischen Verbänden vorwerfen, dass sie durch ihren Sprachgebrauch und ihren Populismus massiv zu Spaltung der Gesellschaft beitrügen, dann dürfen wir dies auf keinen Fall selbst tun. 

Auch wir tragen massiv zu dieser Spaltung bei, wenn wir jeden direkt als „Nazi“ bezeichnen, weil die Person die AfD wählt oder in sehr kontroversen Themen nicht unsere Meinung vertritt. 

Ängste und Sorgen ernstnehmen

Wir müssen Vorbilder einer der Demokratie würdigen Debattenkultur werden. Das heißt nicht, dass wir Verstöße gegen das Grundgesetz zulassen dürfen, aber wir müssen lernen, diesen Verstößen sachlich fundiert entgegenzutreten. 

Auch müssen wir lernen, besonders den Menschen, die nicht unserer Meinung sind, zuzuhören. Nur dann können wir ihre Ängste und Sorgen auch wirklich ernst nehmen. Das ist alles andere als leicht, aber die Demokratie ist es wert.

„Niemand soll dich wegen deiner Jugend geringschätzen!“, ermutigt der 1. Timotheusbrief (4,12) seinen Empfänger Timotheus. Und in der 1.500 Jahre alten Benediktsregel rät der heilige Benedikt, bei wichtigen Dingen alle Brüder anzuhören, „weil der Herr oft einem Jüngeren offenbart, was das Bessere ist“ (RB 3,3). Darum kommen in unserer Rubrik „Der junge Kommentar“ ausdrücklich Autor:innen unter 30 Jahren mit ihrer persönlichen Meinung zu einem selbst gewählten Thema zu Wort. Sie sind ein Beitrag zu einer Kirche, deren Anliegen es ist, die Zeichen der Zeit zu erkennen.

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