Christian Uhrig: Geplanter Rauswurf in die Realität

Auslegung der Lesungen vom 10. Sonntag im Jahreskreis / Lesejahr B

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Der Glaube ist nicht vergeblich. Das stellt Jesus immer wieder klar und stellt bisherige Autoritäten infrage. Doch ihm geht es nicht um Macht, ganz im Gegenteil, erklärt Professor Christian Uhrig und legt die Lesungen dieses Sonntags aus.

„Ich habe geglaubt, darum habe ich geredet“, diesen Psalmvers zitiert Paulus in seinem Zweiten Brief an die Gemeinde von Korinth. Im Psalm 116 erinnert sich der Betende an seine Rettung aus Todesnot, durch die er erfahren hat: Glauben ist nicht vergeblich. Mitten in der Bedrängnis gibt er Kraft.

Dieser Glaube lässt ihn reden, seinen Dank aussprechen und den Namen des Herrn ausrufen, der ihm Rettung geschenkt hat. Paulus denkt über den Glauben ähnlich. „Auch wir glauben, und darum reden wir“, so fährt er nach dem Zitat aus dem Psalm fort.

Wo der Glaube an Gott hilft

Die Lesungen vom 10. Sonntag im Jahreskreis / Lesejahr B zum Hören finden Sie hier.

Paulus kennt die größeren und kleineren Bedrängnisse sowie die Mühsal des alltäglichen Lebens und ist überzeugt davon: Der Glaube an Gott hilft dabei, die Last des Lebens zu ertragen. Gott hat Jesus nicht im Tod gelassen, sondern hat ihn auferweckt – und wird auch uns nicht im Tod lassen, so versichert er den Leserinnen und Lesern seines Briefs.

Eine Wohnung bei Gott wartet auf uns, ein ewiges Haus im Himmel. Viele Menschen sollen aus der Zuversicht eines solchen Glaubens leben können. Unermüdlich setzt sich Paulus dafür ein.

Menschen folgen Jesus auf Schritt und Tritt

Unermüdlich ist auch Jesus. Immer wieder scharen sich viele Menschen um ihn. Auf Schritt und Tritt folgen sie ihm und lassen ihm oft keine Chance, allein zu sein. So auch in der Episode im Markus-Evangelium. Eigentlich möchte er mit seinen Jüngern in einem Haus essen, doch die Menschen drängen ins Haus und sitzen im Kreis um ihn herum.

Mit seiner Verkündigung des Reiches Gottes in Wort und Tat bringt er sie zum Staunen, und sie wollen nichts verpassen. In Ruhe essen? Keine Chance. 

Schriftgelehrte sehen eigene Autorität gefährdet

Doch nicht alle Menschen sind begeistert von ihm und dem, was er tut. Seine Angehörigen halten ihn für „von Sinnen.“ Sie wollen ihn zurück nach Hause holen, sogar mit Gewalt. Was sind ihre Motive? Wir erfahren es nicht. Nur von den Schriftgelehrten, die eigens von Jerusalem gekommen sind, erfahren wir, dass sie Jesus für besessen erklären.

„Er ist von Beelzebul besessen“, so sagen sie. „Mit Hilfe des Herrschers der Dämonen treibt er die Dämonen aus.“ Die Schriftgelehrten wollen Jesus diskreditieren, sehen durch sein Wirken ihre eigene Autorität angefragt, durch den Zuspruch für ihn ihre Macht gefährdet.

Jesus geht es nicht um Macht

Doch Jesus geht es gar nicht um eine eigene Autorität oder um Macht. „Wie kann der Satan den Satan austreiben?“ Absurd, was die Schriftgelehrten Jesus vorwerfen. Worum es ihm wirklich geht, wird am Ende der Textstelle klar: Menschen zu verändern und ihnen zu zeigen, worauf allein es ankommt: den Willen Gottes zu tun – unabhängig von familiären Erwartungen und den Ansichten religiöser Autoritäten.

Den Willen Gottes tun – das hätte besser auch der Mensch im Paradies getan, so möchte man meinen. „Wo bist du?“ So ruft Gott nach dem Menschen. „Hast du von dem Baum gegessen, von dem ich dir geboten habe, davon nicht zu essen?“ Die Antwort ist genauso bekannt wie die vermeintlichen Konsequenzen dieser weltberühmten Paradiesgeschichte: Vertreibung aus dem Paradies und damit einhergehend Mühsal, Arbeit, Sterblichkeit als Strafe für den Sündenfall des Menschen – so deutet die christliche Theologie diese Geschichte.

Wie will ich leben?

Allerdings kommt das Wort „Sünde“ in Genesis 3 gar nicht vor. Die hebräische Bibel erzählt eine ganz andere Geschichte, als es ihre christliche Deutung tut: „Das erste Menschenpaar wurde nicht aus dem Paradies vertrieben, sondern nach dem Essen der verbotenen Frucht vom Baum der Unterscheidung zwischen gut / richtig und falsch / böse / schlecht in die reale irdische Welt entlassen. Diese Entlassung war von Anfang an von Gott so geplant“, so der Judaist Peter Schäfer in seinem Buch „Die Schlange war klug“.

Erst durch die freie Entscheidung des Menschen, vom verbotenen Baum zu essen, wird der Mensch wirklich zum Menschen, wie es Gott am Ende der Geschichte selbst sagt: „Der Mensch ist wie einer von uns geworden, dass er Gut und Böse erkennt“ (Gen 3,22). Gut und Böse erkennen – das gehört genauso zum Menschsein wie die Bedrängnis und Mühsal des Lebens, von der Paulus spricht, und die Spannungen und Auseinandersetzungen in der Familie und mit Andersdenkenden, die Jesus erleben muss.

Wie will ich leben? Was ist richtig, was ist falsch? Vor diesen Fragen stehen wir Menschen. Der Glaube an Gott und die Orientierung am göttlichen Willen können dabei helfen, richtige Antworten zu finden.

Sämtliche Texte der Lesungen vom 10. Sonntag im Jahreskreis / Lesejahr B finden Sie hier.

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