Laurentius Schlieker OSB über Gottes ungelernte Propheten

Auslegung der Lesungen vom 15. Sonntag im Jahreskreis / Lesejahr B

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Bin ich berufen, Gott zu verkünden? Nicht nur die Propheten haben sich das gefragt - auch Christinnen und Christen heute könnten daran zweifeln. Laurentius Schlieker, Benediktiner in Gerleve, sagt in seiner Auslegung, warum diese Zweifel unnötig sind.

Es ist erstaunlich, welche Leute Jesus um sich schart. Er ruft sie aus ihrem Berufsleben, auch ihr familiäres Leben wird davon betroffen gewesen sein. Jesus weiß: Es sind die Richtigen für ihn. Es sind Fischer und Geschäftsinhaber, ein Steuereintreiber, politische Extremisten. Es zeichnet sie aus, dass sie alles liegen und stehen lassen und mit Jesus gehen. 

Er bereitet sie darauf vor, Unvorbereitetes zu erleben. Für sie geht es weniger um sich selbst als um Jesus. Mit ihm haben sie keine Angst vor dem Unbekannten, vor dem Loslassen. Vielleicht wäre das hin und wieder eine segensreiche Disposition für uns: Das was dich beschäftigt und belastet, stehen und liegen lassen und dich mit Gott darauf vorbereiten, unvorbereitet zu sein.

Überraschende Berufungsgeschichten

Die Lesungen vom 15. Sonntag im Jahreskreis / Lesejahr B zum Hören finden Sie hier.

Schon das Erste Testament ist voll überraschender Berufungsgeschichten, vor allem die Propheten erwischt es. Amos war ein Hirte, er war als das spezialisiert, was wir heute Baumpfleger nennen. Da wurde er von seiner Arbeit abberufen: Er solle gehen, um dem Volk Gottes zu prophezeien. 

Amos tut es, ohne dafür ausgebildet worden zu sein. Erstaunlich an der Geschichte des Propheten Amos ist nicht das, was er sagen sollte. Sondern, dass er, ein einfacher Landmann, Gott zuhörte und gehorchte. Er hat sich keine Ausreden oder Gründe ausgedacht, warum er nicht der Richtige für diesen Auftrag war. Er antwortete auf Gottes Ruf einfach mit Mut und Vertrauen.

Auch wir sind berufen

Die Zwölf aus dem engeren Kreis um Jesus wissen, was sie zu tun haben. Jesus schickt sie jeweils zu zweit los und gibt ihnen Anweisungen, was sie tun sollen und wie. Mit dieser Unternehmung dehnt er seine eigene Sendung aus.

Er hat die Fortführung seines Wirkens im Blick; damit setzt sich ein Prozess in Bewegung, der sich im Leben der Jesusgemeinde und später in der Kirche weiterentwickeln wird. Auch wir sind berufen, mit Jesus Christus jene Sendung fortsetzen, die er damals mit den Jüngern zu teilen begonnen hat.

Wie, bin ich auch berufen? Mit jedem Tag, der für uns anbricht, werden wir gerufen. Wir stehen auf, dann widmen wir uns unseren alltäglichen Aufgaben. Wir arbeiten vielleicht eine To-Do-Liste ab, sehen uns in Verpflichtungen, die wir bei der Arbeit und/oder zu Hause für selbstverständlich halten. Das tägliche Leben besteht aber nicht nur darin, Aufträge zu erledigen, den Tag irgendwie zu bestehen.

Von Anfang an auserwählt

Wenn wir unseren Tag damit beginnen, die Vorhaben und Verpflichtungen oder auch unser Passivsein, zu dem das Leben uns vielleicht nötigt, in Gottes Hände zu legen, können wir den Heiligen Geist bitten, bei uns einzukehren. Er kann die Hoffnung offenbaren, die zu unserer jeweiligen Berufung gehört. Wir alle gehören zu etwas Größerem, das Gott in unserer Welt wirkt und woran er uns beteiligt. Und wir brauchen alle eine Hoffnung, die uns leitet und aufbaut und die Augen unseres Herzens öffnet.

Paulus reißt einen unendlichen Horizont auf: Gott hat uns schon vor Grundlegung der Welt gesehen und auserwählt. Er hat uns im Voraus dazu bestimmt, seine geliebten Kinder zu werden durch Jesus Christus, zu ihm zu gehören und uns im Lobpreis der göttlichen Gnade zu freuen. 

Es braucht keine Ausbildung

Diese Erkenntnis soll die Gemeinde weitergeben. Dazu bedarf es keiner Ausbildung - durch die Weise, wie wir leben, auf Jesus hinzuweisen, als ganz gewöhnliche Menschen. Der Apostel erinnert seine Gemeinde daran, dass Gott uns mit seiner Gnade überhäuft hat, und dass Gott uns mit aller „Weisheit und Einsicht“ in das Geheimnis seines Willens ausgestattet hat. 

Amos, der älteste Schriftprophet, dazu ein sozialkritischer, hat darauf vertraut, dass sich Gott, der ihn gerufen hat, um ihn kümmert. Wir verdanken Amos die Betonung einer gerechten Lebensweise und die Sorge um benachteiligte Menschen. Dann die Betonung, dass der Bundesgott Israels der Gott für alle Nationen ist. Jesus wird die Prophetie des Amos auf seine Weise deutlich machen, indem er den Tempel als Haus des Gebetes für alle Völker verkündet. 

Jesus nimmt die Sorge

Wir sind alle berufen. Jesus möchte, dass wir uns keine Sorgen machen müssen, ob wir das Zeug dazu haben, Gottes Plan in unserem Leben zu verwirklichen. Wir können uns mit allen Fragen und Zweifeln, die sich einstellen, auf ihn einlassen und darauf vertrauen, dass er bei uns ist und dass er uns mit allem versorgen wird, was wir brauchen.

Sämtliche Texte der Lesungen vom 15. Sonntag im Jahreskreis / Lesejahr B finden Sie hier.

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