Johanna Müller über die Europawahl und christliche Verantwortung

Christ:innen können nicht unpolitisch sein – oder: Geht wählen!

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Die Katholische Hochschulgemeinde lässt sich parteipolitisch nicht festlegen, aber eines ist klar: Unpolitisch ist sie deshalb noch lange nicht. Und das ist auch gut so, sagt vor der Europawahl Johanna Müller, jüngstes Mitglied der Vollversammlung des Synodalen Wegs, im neuen Kirche+Leben-Format „Junger Kommentar“.

Ende April haben wir in der Katholischen Hochschulgemeinde (KHG) Tübingen eine Podiumsdiskussion zur Europawahl veranstaltet. Im Vorgespräch fragte einer unserer Gäste, wie die Hochschulgemeinde politisch so eingestellt sei. Wir taten uns mit der Antwort etwas schwer, da es weder die Hochschulgemeinde gibt noch eine parteipolitische Positionierung oder explizite Wahlwerbung für eine bestimmte Partei infrage käme. Aber schnell merkten wir: Gänzlich unpolitisch sind wir nicht, im Gegenteil.

Als „Umbruch“ zum Schwerpunktthema des Sommersemesters 2024 gewählt wurde, lag es nahe, die Europäische Union und die Europawahl am 9. Juni in den Blick zu nehmen. Umbrüche auf europäischer Ebene gibt es einige: Da sind die umstrittene Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) oder die in zahlreichen europäischen Ländern erstarkenden rechtsextremen Kräfte. Was wird angesichts der drastisch voranschreitenden Klimakrise aus dem Green Deal, dem Klimapaket der EU? Ganz grundlegend stellt sich die Frage: Welche Zukunft hat die Europäische Union überhaupt? Oder ist ihre Blütezeit vielleicht längst vorbei?

Als Christ:innen darf uns nicht egal sein,  was in Europa geschieht

Die Autorin
Johanna Müller (20) studiert Katholische Theologie in Tübingen und kommt aus dem Bistum Münster. Sie war jüngstes Mitglied der Vollversammlung des Synodalen Weges und arbeitete im Forum „Macht und Gewaltenteilung“ mit.

Insbesondere meine Generation, die selbstverständlich europäisch aufgewachsen ist, wird direkt davon betroffen sein, wie es mit der EU weitergeht. Dass die Wahlbeteiligung bei den letzten Europawahlen so gering war, bedeutet ja nicht, dass sie unwichtig wären.

Als Christ:innen darf uns nicht egal sein, was um uns herum, also auch was in Europa geschieht. Und es kann uns nicht nur nicht egal sein - ich möchte hinzufügen: Wenn wir Jesu Botschaft vom Reich Gottes ernst nehmen, müssen wir uns konsequent am Wohl des Menschen orientieren und uns an die Seite der Armen, Geflüchteten, der Schutzlosen und Unterdrückten stellen. Wenn man sich das mal bewusst macht, kann das Leben als Christ:in nicht unpolitisch sein.

Unser KHG-Abend endete nach kontroversen, aber fairen Diskussionen mit dem Aufruf: Geht wählen! Dieser Auftrag gilt allen Europäer:innen. Der Auftrag an uns Christ:innen geht meiner Meinung nach darüber hinaus: Wir können keiner Partei unsere Stimme geben, die menschenverachtende  und demokratiefeindliche Positionen vertritt. Und wir sollten uns deutlich und in jeder Situation denen entgegenstellen, die solche Strömungen gesellschaftsfähig machen wollen.

„Niemand soll dich wegen deiner Jugend geringschätzen!“, ermutigt der 1. Timotheusbrief (4,12) seinen Empfänger Timotheus. Und in der 1.500 Jahre alten Benediktsregel rät der heilige Benedikt, bei wichtigen Dingen alle Brüder anzuhören, „weil der Herr oft einem Jüngeren offenbart, was das Bessere ist“ (RB 3,3). Darum kommen in unserer Rubrik „Der junge Kommentar“ ausdrücklich Autor:innen unter 30 Jahren mit ihrer persönlichen Meinung zu einem selbst gewählten Thema zu Wort. Sie sind ein Beitrag zu einer Kirche, deren Anliegen es ist, die Zeichen der Zeit zu erkennen.

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