Eine Reportage zwischen Wiesen, Wäldern und Katzen

Perlenkette, Cocktails, Holi-Farbe: Festivalstimmung im Ferienlager Bork

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Die Pfarrgemeinde St. Ludger Selm im Kreis Unna bietet im Sommer zahlreiche Ferienfreizeiten für Kinder und Jugendliche an. Unter ihnen: Das Sommerlager St. Stephanus aus Bork. Warum die Freizeit so beliebt ist.

Von dem lauten Geschrei, der dröhnenden Schlagermusik aus den Fenstern lässt sich Katze „Prinzessin 2“ nicht beirren. Langsam tippelt sie über die Terrasse mit Blick auf eine wolkenverhangene, hügelige Koppel und einen Wald umher. Nur selten läuft eines der rund 45 Sommerlager-Kinder auf die Terrasse. Es ist Mittagszeit im Jugendfreizeitheim Ascheloh. Ein kleiner Ort am Teutoburger Wald bei Bielefeld. Und das bedeutet: Handyzeit. Wichtige, wenige Stunden, in denen die Handys nicht von den acht Betreuern der Freizeit St. Stephanus aus Bork eingesammelt werden.

Denn die besprechen währenddessen das Programm für den Nachmittag. Die Fenster sind mit Plakaten abgeklebt, die Tür muss immer geschlossen bleiben. Wer hier mit jemanden sprechen will, muss klopfen und geduldig warten: das Betreuerzimmer im Lager, ein Hochsicherheitstrakt. In dem dunklen Raum haben sich die acht Betreuer an einer Tischtennisplatte versammelt. An den Wänden: Überall Pläne mit Ideen, Zuständigkeiten, Unverträglichkeiten.

Eine Urkunde am Ende der Freizeit

Und einer Tabelle mit allen Namen der Lagerkinder. Hinter einem der Namen: „Hat einem Rentner seine Jacke aufgehoben.“ Wofür das gut ist? „Am Ende der Freizeit geben wir allen Kindern eine Urkunde mit einem bestimmten Moment, der besonders lustig, besonders herausstechend oder hilfsbereit war, auf den Weg“, erklärt Lagerleiterin Anna Eggemann. Eine Möglichkeit, bei der sich die Tabelle weiter füllen könnte: der Festivaltag, der heute auf dem Plan steht.

Dass heute der Festivaltag stattfindet, wissen aber eigentlich schon alle Bewohner des Lagers. Schließlich haben sie wie jeden Morgen die Programm-Girlande, die die Betreuer im Haus versteckt hatten, gesucht und im Speisesaal aufgehängt. Auf jedem ihrer bunten Blätter ist ein Tagesordnungspunkt aufgeschrieben. Dieser nächste Programmpunkt wird mit einer Kuhglocke beschlossen.

Was braucht man für ein Festival?

Die Lagerleiterin Anna Eggemann und ein weiterer Betreuer rufen die Kinder zur Ruhe auf: nicht einfach nach der Pause. Dann erklären sie das Programm: An mehreren Stationen, sogenannten „Arbeitskreisen“, bereiten sich die Lagerkinder im Rahmen des Festivaltages auf eine große Party am Abend vor.

Da gehört eine Menge dazu: Festivalarmbänder und Outfits müssen gebastelt, Frisuren kreiert werden. Tim, Jonas und Theo können damit eher wenig anfangen. Sie zieht es zum Tischkicker. Die Figuren sind etwas verbleicht, das Spielfeld schon leicht gewellt. Die Drei stört das wenig.

Kicker oder Perlenkette?

Einer von ihnen erzählt, dass seine Eltern ihn zur zweiwöchigen Ferienfreizeit geschickt hätten. „Die müssen arbeiten und ich muss in den Sommerferien betreut werden.“ Zuvor war er schon mit ihnen im Urlaub, erzählt er. Bei ihm muss sich der Reiz einer Ferienfreizeit offenbar erst noch durchsetzen. Ein Ziel haben sie beim Kickern nicht. Schießt einer von ihnen ein Tor, rollt ein weiterer Ball direkt aufs Spielfeld. Gezählt werden die Tore nicht. Nach wenigen Minuten ziehen sie weiter zum Cocktailstand.

Betreuerin Clara ist wiederum für die bunten Armbänder zuständig. Um die Tische mit den bunten Perlen haben sich besonders viele Kinder gesetzt. Eines von ihnen möchte mit Buchstaben-Perlen eine Echse bilden. Letztlich wird es ein Baum, eine Esche. Es ist ruhig in dem Raum, eine konzentrierte Stille. Doch immer wieder lösen sich die Knoten in den Armbändern. Die Perlen fallen auf den Boden.

Professionelle Frisuren von den Betreuern

Eine hellblaue Perle rollt in den Speisesaal zu Lagerleiterin Anna Eggemann. Sie ist hier für die ganz besonderen Festivalfrisuren zuständig. Flechtfrisuren, streng gegelte und ballonartig geflochtene Zöpfe: Anna und ihre Betreuerkollegin Lotte sind hier gefragte Frisuren-Profis. Nur braucht jede Frisur eine Menge Geduld.

Doch das ist besser als der Stress vor der Freizeit: Die Lagerleiterinnen Anna Eggemann (21) und Paula Hördemann (22) hatten da nicht wenig Arbeit. Die Unterkunft musste ausgesucht und gebucht, Förderanträge bei den Kommunen gestellt werden. Vor wenigen Jahren haben sie die Leitung übernommen, ein größerer Betreuerwechsel führte dazu. Warum nimmt man so viel Arbeit auf sich? „Es macht einfach Spaß“, sagt Eggemann ganz selbstverständlich.

Brot wird im Lager selbstgebacken

Die zwei Wochen Freizeit seien eine gute Abwechselung zum Alltag. Auf eine bestimmte Art könne man einfach mal abschalten, so die 21-Jährige. Ähnlich geht es dem dreiköpfigen ehrenamtlichen Kochteam, die früher selbst mal Betreuer auf der Freizeit waren. Antje Millan und Jochen Beese bereiten bereits das Abendessen vor und probieren sich an neuen Nachspeisen.

„Abends gibt es eigentlich nur Brot mit Aufschnitt“, erklärt Antje. Doch es ist nicht irgendein Brot: Sie backen im Lager frisch. Heute ist allerdings noch Reis übrig. Mit etwas Mais und Paprika wird es aufgefrischt. Das kommt nicht immer vor: Sieben Kilo Gyros und die Rosmarinkartoffeln am Mittag gingen alle weg. „Ich glaube, den Kindern schmeckt es bei uns schon ganz gut“, meint Köchin Antje, die währenddessen die Käsescheiben auf die Teller verteilt.

Seit deutlich mehr als zehn Jahren sind sie fast ununterbrochen Teil der Freizeit. In der Küche stehen sie meist von sieben Uhr morgens bis elf Uhr abends. Warum sie immer noch dabei sind? „Andere wandern, ich stehe hier gerne in der Küche und koche für die Kinder. Das ist für mich Aktivurlaub“, sagt Jochen selbstsicher. Er kocht gerne „hausmännisch“ und das schmecke den Kindern ziemlich gut.

Ein Farbbeutel für bunte Gesichter

Doch bevor es sich die Lagerbewohner schmecken lassen, üben sie noch auf der großen Koppel für den Festivalabend. Der Lagertanz muss vorbereitet werden. Um die Lagerkinder auf den Abend einzustimmen, haben sich die Betreuer etwas ganz Besonderes überlegt. Ein „Holi Festival“. Farbbeutel mit Kreide werden in die Luft geworfen. Es bilden sich bunte Wolken. Saubere Kleidung gibt es danach nicht mehr.

Gut, dass Prinzessin 1, 2, 3, wie sie ihre Lagerkatzen nennen, nicht Teil des bunten Gewusels sind. Die kleinen Katzen haben sich nach einigen Krauleinheiten durch die Lagerkinder während der Arbeitskreise zurückgezogen. Und auch die zieht es jetzt in den Speisesaal. Abendessen.

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